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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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und tauchten in den Windschatten der Königlichen Galerien, der Säulenarkaden, die zurück zum Hotel führten.
    Wieder im Zimmer, badeten sie und tranken mehr Wein. Sie taumelten ins Bett, voneinander berauscht, die Körper dampfend vom heißen Wasser.
    Später lagen sie nebeneinander und lauschten dem Atem des jeweils anderen. Als ihre Haut auszukühlen begann, zog Henryk eine Decke über ihre Leiber. Er rollte sich herum und drückte seine Brust gegen Marthas Rücken. Ihr Haar kitzelte ihn im Gesicht, doch er ließ es, wo es war, weil er den Duft atmen wollte.
    Sie dämmerten hinüber in einen leichten Schlaf und erwachten, als Mondlicht ihre Haut berührte.
    Martha rief den Zimmerservice an und bestellte ein spätes Abendessen aufs Zimmer.
    Dann, als sie dalagen und sich träge streichelten, betrachtete er lange ihr Gesicht. Sie hatte die Augen geschlossen. Weich verschatteten die Wimpern ihre Wangenknochen. Die Falte auf ihrer Stirn war verschwunden.
    Plötzlich ähnelte sie der anderen Martha. Der, die er erschaffen hatte.
    Henryk konnte keinen Schatten entdecken, so sehr er auch suchte. Er fand nur Wärme und Licht.
     
     

11
     
     
     
    Ein paar Tage vor Weihnachten begann Henryk die Farbpigmente anzureiben.
    Auf dem Holztisch hatte er sechs Glasflaschen aufgereiht, die Ausbeute der vergangenen Wochen. Die alten Rezepte waren ungenau bei den Mengenangaben. Er hatte mit verschiedenen Mischungen experimentiert, Leinöl und Nussöl mit Zusatzstoffen. Terpentin zur Verflüssigung, Bleiverbindungen als Siccative.
    Die Manuskripte beschrieben Verfahren, um ungewollte Effekte abzuschwächen – Gilbung, Abdunklungen, Rissbildung der Farben. Alterungserscheinungen, die der Maler zu verzögern suchte. Effekte, die Henryk unbedingt brauchte, um Authentizität zu erreichen.
    Von der Küche quoll Rauch in den Raum. Henryk hatte die Fenster weit aufgerissen. Er wusste, dass die Dämpfe giftig waren. Sein Atelier verwandelte sich mehr und mehr in das Labor eines Alchemisten. Die Vorstellung belustigte ihn nur halb.
    Alchemie war nicht gerade eine präzise Wissenschaft. Vor allem, wenn man versuchte, vierhundert Jahre alte Verfahren am Küchenherd nachzustellen. Auf der Gasflamme tanzte ein Tontopf. Unter den Rauchschwaden glomm rötliche Asche. Mennige, wenn alles funktionierte. Auf die gleiche Weise hatte er Bleigelb hergestellt, für die letzten Etappen der Untermalung, und eine weitere Mischung mit Zinnoxid, für die oberen Schichten.
    Vom Treppenhaus drang das Ächzen des Aufzugs. Kurz darauf schlug die Klingel an.
    Überrascht hielt Henryk in seiner Arbeit inne. Es war kurz nach Mittag und er erwartete keinen Besuch. Martha tauchte nie vor acht Uhr auf, oft noch später.
    Vielleicht der Postbote. Er zog die Riegel zurück und öffnete.
    „Sie!“, sagte er überrascht.
    Verhoeven drängte sich ins Innere. Sein Gesicht war rot vor Kälte.
    „Hallo“, sagte er in leutseligem Ton. „Ich wollte mal sehen, wie es Ihnen geht.“
    Henryk fühlte sich überrumpelt. „Gut“, stieß er hervor.
    „Ich habe vielleicht einen Interessenten, für eins Ihrer Bilder.“ Verhoeven knöpfte seinen Mantel auf. „Für die Türme. Ein Bankmann, das wäre doch was? Der will es sich ins Foyer hängen.“
    Henryk nickte nur. Es wollte sich keine Euphorie einstellen. Nicht die kleinste Spur Freude. Vielleicht, weil er einfach nicht mehr damit gerechnet hatte. Die Ausstellung war aus seinem Gesichtskreis geglitten, in den letzten Monaten. Andere Gedanken bewegten ihn nun. Neue Sorgen, neue Sehnsüchte.
    „Danke“, sagte er mechanisch, „das sind gute Neuigkeiten.“
    Verhoeven schnaufte und machte ein paar Schritte in den Raum. „Was zur Hölle stinkt hier so?“
    „Ich koche Farben“, sagte Henryk in abwehrendem Tonfall.
    Alles in ihm drängte danach, Verhoeven die Tür zu weisen. Er wollte nicht, dass der Galerist diese Welt durch seine Grobheit beschmutzte. Der Mann war ein Eindringling, ein Makel im Licht.  
    „Wie geht es unserem Auftrag?“
    „Gut.“
    „Darf ich sehen?“ Verhoeven wartete die Antwort nicht ab, sondern trat an die Staffelei. Henryk hatte die ersten Schichten übertragen, sie trockneten bereits.
    „Sehr gut. Sie machen das sehr gut.“ Verhoeven musterte die Schälchen und Paletten, die Glasphiolen mit den kostbaren Pigmenten. Er nahm eine in die Hand.
    „Vorsicht“, stieß Henryk hervor.
    „Lapislazuli.“ Verhoeven runzelte die Stirn. „Das war nicht billig, was?“ Er wandte sich dem Bild

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