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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Boden, dann schwang die Klappe zurück in ihre Ausgangsposition.
    Im Sonnenlicht tanzten Staubpartikel in chaotischen Mustern. Es versetzte ihm einen Stich Ärger, weil es seiner Befriedigung die Basis entzog. Seine Mühe hatte sich im Nachhinein als nutzlos erwiesen.
    Er zog die Beine hoch aufs Fensterbrett, lehnte sich gegen die Wand und beobachtete die Straße. Mit der linken Hand schüttelte er eine Zigarette aus der Packung und schob sie sich zwischen die Lippen. Er wollte sie anzünden, aber das Feuerzeug spie nur Funken. Sein Unwille verwandelte sich in echten Groll. Aus dem Augenwinkel musterte er die Zeitung. Sie war vom Stapel anderer Zeitungen gerutscht, die sich dort auftürmten, und hatte die Staubschicht beschädigt, eine weiche graue Decke, die jeden Tag ein wenig anwuchs.
    Der Staub war wie das Vergessen. Jeden Tag wurde die Schicht etwas dicker, und jeden Tag nahm sie dem Schmerz mehr von seiner Schärfe. Sie glättete Kanten, verwischte Konturen und dämpfte den grellen Glanz der Farben. Am Ende blieb nur ein tröstliches Grau.
    Eine friedvolle Vorstellung.
    Doch da lag die Zeitung, und er konnte sie nicht ignorieren wie all die anderen, weil sie das Muster störte.
    Seufzend glitt er von der Fensterbank, folgte dem zweiten Pfad zur Tür und hob sie auf. Wie lange würde es dauern, all die Briefe zu öffnen, die sich in den Monaten seit Marthas Tod angehäuft hatten?
    Zurück auf der Fensterbank blätterte er die Zeitung auf und überflog die Überschriften. Sein Blick streifte über die Artikel im Kulturteil. Ein Theaterstück, von dem er nie gehört hatte und ein Regisseur, der ihn nicht interessierte. Eine Vermeer-Ausstellung in Rotterdam.
    Er wollte weiterblättern, doch blieb an einem Nebensatz hängen.
    ... auch weil die Fachwelt mit Spannung die Enthüllung eines bislang unbekannten Gemäldes des Delfter Meisters erwartet. Er starrte auf die Zeile, bis die Buchstaben vor seinen Augen verschwammen.
    Dann sprang er auf und stürzte hinüber zum Zeitungsstapel und wühlte darin, ohne sich darum zu kümmern, dass er die makellose Staubschicht verletzte.
     
     
    Er fand den Hauptartikel in einer drei Wochen alten Ausgabe, die Ankündigung einer Sonderausstellung über Malerei im goldenen Zeitalter.
    Ein großes Farbfoto schmückte die Seite, ein Gemälde in einem schweren Goldrahmen, der viel prunkvoller aussah als die schlichte Rahmung, in die er das Bild genagelt hatte. Selbst auf der Verkleinerung erkannte er die Stelle, an der der Riss ausgebessert worden war. Der Restaurator hatte den Schaden nicht gänzlich ungeschehen machen können. Ein schwacher Schatten war geblieben.
    Seine Fingerspitzen wurden kalt. In seinem Kopf dröhnte Leere. Ein paar Sekunden lang konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Er starrte einfach auf das Foto und wartete darauf, dass etwas geschah.
    Unten auf der Straße rauschte die Straßenbahn über die Schienen. Jemand hupte. Die Sonne stieg weiter. Ein Schatten fiel auf sein Gesicht.
    Das Atmen machte ihm Mühe, als die ganze Tragweite der Erkenntnis ihn traf. Er las das Datum der Ausstellungseröffnung und verglich es mit dem Datum des heutigen Tages auf der anderen Zeitung.
    Es war Freitag, ein warmer Vormittag im Mai.
    Und morgen fand die Vernissage in Rotterdam statt.
    Sein Bewusstsein tauchte auf wie ein schwerfälliges Tier, das zu lange unter einer Eisdecke gefangen war.
     

18
     
     
     
    Henryk passierte den kleinen Supermarkt am Ende der Straße und setzte seinen Weg übe die Rue Royale fort, vorbei an der Kirche und dem botanischen Garten, bis zum sechsspurigenBoulevard du Jardin Botanique. Er fühlte sich wie jemand, der nach Monaten im Krankenzimmer zum ersten Mal hinaus in die Sonne tritt.
    Nach Marthas Tod war das eine unsichtbare Grenzlinie gewesen, diese Kreuzung am Supermarkt, die er niemals überquerte. Er hatte die Momente hinausgezögert, an denen er gezwungen war, das Atelier zu verlassen, und war nie weiter gegangen als bis zu dieser Ecke.
    Doch nun, als er den vorbeirauschenden Verkehr betrachtete und darauf wartete, dass die Ampel auf Grün schaltete, fühlte er sich, als habe er einen besonderen Sieg errungen. Einen Sieg über seine eigene, bleierne Erschöpfung.
    Abgase verwirbelten in der Frühlingsluft und mischten sich mit tausend anderen Gerüchen. Er atmete tief ein und spürte, wie Farben das Grau durchtränkten, wie sie anschwollen und an Substanz gewannen. Voll Überraschung erkannte er, dass der Schmerz verschwunden

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