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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Gottes Zorn?“
    Henryk schüttelte den Kopf.
     
     

20
     
     
     
    Henryk war sich zuerst nicht sicher, ob er die richtige Adresse aufgeschrieben hatte. Auf der Visitenkarte stand eine Büroanschrift in der Innenstadt, aber Peter Baeskens hatte ihm am Telefon Straße und Hausnummer seiner Privatwohnung im noblen Vorort Ukkel genannt.
    Unschlüssig lief er die Avenue du Manoir hinunter, vorbei an Buchsbaumhecken und steinernen Toreinfahrten. Die riesigen Anwesen dieser Gegend verbargen sich hinter Büschen und Bäumen.
    Es war heiß, er schwitzte. Er hätte sich ein Taxi nehmen sollen, und den Fahrer die Adresse suchen lassen. Unwillig wischte er eine Haarlocke beiseite. Aber er fuhr sonst nie mit dem Taxi, und noch hatte Verhoeven das versprochene Geld nicht überwiesen.
    Die Straße machte eine Kurve. Rechts lugten Baukronen über eine Mauer. Er fuhr mit dem Finger über die Steine. Vor einem hohen, kupferbeschlagenen Tor blieb er stehen und tippte gegen den Klingelknopf. Eine rostbraune Katze sprang von der Mauer hinab auf den Bürgersteig. Er bückte sich und streckte eine Hand nach ihr aus, aber das Tier wich ihm elegant aus. Dann summte das elektrische Türschloss und die Pforte schwang nach innen.
    Feiner Kies knirschte unter seinen Schuhen, als er die Auffahrt betrat. Kirschbäume begrenzten die Rasenfläche zu beiden Seiten. Er warf einen Blick zurück über die Schulter und sah, wie die Torflügel sich wieder schlossen. Die Katze huschte durch den kleiner werdenden Spalt und verschwand zwischen Rosensträuchern.
    Er nestelte an den Knöpfen seines Mantels und stieg die letzten Stufen zum Haus hoch, einem zweistöckigen Ziegelbau mit Jugendstilfassade und hellblau gestrichenen Holzläden.
    Die Eingangstür war halb geöffnet. Als er eine Hand danach ausstreckte, wurde sie ganz aufgezogen. Helene trat ihm entgegen. Anstelle des roten Kleides trug sie nun Jeans und ein T-Shirt. Er kämpfte seine Verlegenheit nieder. Bevor er etwas sagen konnte, fasste sie ihn an den Schultern und küsste ihn flüchtig auf beide Wangen. „Schön, dass Sie gekommen sind.“
    Ihr Lächeln wirkte offen und vollkommen aufrichtig. Steif umklammerte er den Riemen der Ledertasche. Ihr Parfüm stieg ihm in die Nase. Honig und Narzissen.
    Sie lud ihn ins Innere des Hauses ein und schloss die Tür. Das Foyer war weitläufig und erinnerte an ein römisches Vestibül, mit dem Marmorboden und der breiten Treppe, die zu einer Galerie hinaufführte. Zwei Impressionisten schmückten die Wände.
    Er presste seine Finger gegeneinander. „Sie haben es schön hier.“
    „Wir haben das Haus vor zwei Jahren renoviert. Peter telefoniert noch, er kommt gleich.“
    Sie durchquerten ein elegantes Zimmer mit Biedermeiermöbeln. Eine Schiebetür führte zur Terrasse auf der Rückseite des Hauses. Der Tisch war eingedeckt.
    „Möchten Sie Ihren Mantel ablegen?“
    Er streifte die Ledertasche von der Schulter und stellte sie auf den Boden. „Nein“, sagte er zurückweichend.
    „Sollen wir etwas trinken?“
    Er schob die Tasche mit dem Fuß zur Wand.
    „Was haben Sie da drin?“
    „Mein Malzeug. Ich gehe nie aus dem Haus ohne meine Stifte.“
    „Ich habe mich schon gefragt, warum Sie so eine schwere Tasche mit auf eine Vernissage nehmen.“ Helene reichte ihm ein Glas. „Wasser oder Obstsaft? Oder Wein?“
    „Wasser bitte.“ Er musterte ihre Hände, während sie einschenkte. Ihre Finger waren zierlicher als die von Martha. Nicht so hart konturiert. Helene hatte kleine ovale Nägel, die seidig glänzten.
    Dann klangen Schritte aus dem Inneren des Hauses und Peter Baeskens tauchte auf, in Hemd und Anzughose. Er löste seine Krawatte, während er Henryk gleichzeitig die rechte Hand entgegenstreckte. Sein Händedruck war kühl und fest. „Ich hatte“, er warf die Krawatte auf einen der Eisenstühle, „noch einen Termin, entschuldigen Sie. Etwas förmlicher heute.“ Er grinste. „Haben Sie gut hergefunden?“
    Henryk nickte. Er legte beide Hände um sein Wasserglas und versuchte, seine Nervosität niederzukämpfen.
    „Sie haben ein schönes Haus“, wiederholte er.
    „Baujahr Neunzehnhundertzwei, der Name des Architekten geht nicht aus den alten Unterlagen hervor.“ Baeskens goss sich selbst Orangensaft ein. „Ich tippe auf Victor Horta. Was meinen Sie?“
    Henryk legte den Kopf in den Nacken und musterte die Fassade. Er kannte sich nicht besonders aus mit Architektur. Er war Maler, wollte er sagen, kein Architekt. Aber Baeskens erwartete

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