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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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und brach ab, bevor er die Hand danach ausstrecken konnte.
    Dann klingelte es erneut und auf dem Display blinkte eine Brüsseler Nummer, die er nicht kannte. Zögernd drückte er die Rufannahmetaste und hob das Handy zum Ohr.
    „Hallo?“
    „Sind Sie das?“ Eine Frauenstimme. „Henryk Grigore?“
    „Ja“, sagte er vorsichtig.
    „Ah gut.“ Die Stimme hörte sich erleichtert an. „Hier ist Helene Baeskens.“
    Er errötete. Sein Blick schlich zur Serviette. Es war dunkel geworden und das Porträt hing gerade am Rand des Lichtkreises, den die kleine Lampe warf.
    In der Leitung entstand eine Pause. Er hörte ein Rascheln.
    „Wegen Ihrer Wohnung ...“ Helene klang merkwürdig, ganz anders als sonst. Vielleicht lag es am Telefon, das ihre Stimme verzerrte. „Ich habe hier die ganzen Kataloge rausgesucht. Nachdem wir letzte Woche den Tisch gekauft haben, dachte ich, wir könnten uns mal in Ruhe hinsetzen und überlegen, was wir in die anderen Räume stellen. Falls Sie das nicht schon erledigt haben.“
    Die Hitze kroch nun auch seinen Hals hinab.
    „Nein“, stieß er hervor. „Nein, es steht immer noch alles leer. Ich muss auf dem Fußboden schlafen.“
    Die Verlegenheit löste sich auf in Lachen.
    „Möchten Sie vorbeikommen?“
    „Wenn es Ihnen nicht lästig ist?“
    „Haben Sie einen Grundrissplan von Ihrer Wohnung? Oder sollen wir uns vorher bei Ihnen treffen? Dann hole ich Sie ab und kann bei der Gelegenheit einen Blick in die Räume werfen.“
    Plötzlich fühlte er sich bedrängt, so als ob er an einem offenen Fenster stünde und sich rücklings hinauslehnen müsste.
    „Was ist?“, fragte sie.
    „Nichts“, erwiderte er hastig.
    „Dann morgen vielleicht?“
    „Morgen ist gut.“ Er überspielte sein Unbehagen.
    „Avenue Paul Dajaer, richtig?“
    „Nummer Zwölf.“
    „Wann soll ich vorbeikommen?“
    „Nachmittags. Um Zwei.“ Oder zu jeder anderen Zeit, es spielte keine Rolle. Helene verabschiedete sich, er murmelte etwas. Dann war die Leitung tot und er fragte sich, warum sie wirklich angerufen hatte.
    Er hob den kleinen Keilrahmen wieder von der Staffelei und deckte ihn mit einem weißen Handtuch ab, doch er war abwesend dabei. Seine Gedanken kreisten um Helene und ihren merkwürdigen Anruf und das, was ungesagt geblieben war.
    Er tröpfelte Wasserstoffperoxid auf den Stoff, bis die Baumwolle feucht schimmerte, zog eine Folie darüber und beschwerte die Konstruktion mit zwei Büchern.
    Während das Bleichmittel einwirkte, rührte er Leim an. Er fügte Zucker hinzu und noch etwas mehr Kleister, bis die Masse eine pastige Konsistenz annahm.
     
     
     
    Etwas später klingelte das Telefon erneut. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er die Nummer auf dem Display erkannte.
    „Hallo?“, fragte er. Hallo Helene , wollte er sagen.
    Doch es war Peter, nicht Helene. Henryk erschrak so sehr, dass er nicht gleich antworten konnte.
    „Wie geht es Ihnen?“
    „Gut“, stammelte er nach zwei stummen Sekunden.
    „Was macht der Vermeer?“
    „Gut.“ Er presste sich eine Handfläche in den Nacken, um seine Haut zu kühlen. Es gab keinen Grund für ein schlechtes Gewissen. Nicht den geringsten Grund. „Ich meine, es geht gut voran.“
    „Na das freut mich zu hören.“ Baeskens zögerte. „Haben Sie einen Moment Zeit? Ich hatte gerade eine seltsame Begegnung.“ Er lachte, doch eine nervöse Note schwang darin. „Mit einem Hochstapler. Ein merkwürdiger Kauz. Ich dachte, Sie kennen ihn vielleicht, oder er kennt Sie von irgendwoher.“
    Henryk spürte, wie der Boden unter seinen Füßen zu schwimmen begann. Eine irrationale Reaktion, nicht auf das, was Baeskens sagte, sondern auf den Tonfall in der Stimme des Sammlers.
    „Jan Bosteels, haben Sie den Namen schon mal gehört?“
    „Nein“, erwiderte er wahrheitsgemäß.
    „Der Mann behauptet, er sei Restaurator. Er hat sich bei mir vorgestellt und als Referenz den Vermeer aufgeführt.“
    Henryk zuckte körperlich zusammen. „Was?“
    „Ich fand es auch seltsam, ich konnte Verhoeven noch nicht erwischen, um ihn zu fragen.“
    „Ich habe den Namen noch nie gehört.“
    „Er hat mir sogar seine Werksmappe gezeigt, mit Fotos von der Restaurierung.“
    „Unmöglich“, murmelte Henryk.
    „Ich wollte Ihnen nur sagen, dass sich da jemand mit Ihren Federn schmückt.“
    „Hat er Ihnen seine Adresse gegeben?“
    „Ich habe seine Karte hier, warten Sie – “ Etwas raschelte in der Leitung. „Rue Josaphat, Nummer 252. Haben Sie etwas zu

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