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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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aussehen sollten.
    Die Zuflucht des romantischen Helden.
    War es das, was sie in ihm sah? Er wünschte es sich. Er wünschte es sich so sehr.
     
     
     
    Ein paar Querstraßen entfernt von der Rue de la Ruche stieg er aus dem Bus aus. Er hatte Verhoeven nicht noch einmal angerufen, um sich anzukündigen. Wenn der Galerist außer Haus war, würde er es eben morgen noch einmal versuchen. Er hatte ohnehin noch einen anderen Grund für seinen Spaziergang zur Rue de la Ruche.
    Rue Josaphat 252, die Adresse des Hochstaplers Jan Bosteels, die praktisch auf dem Weg dorthin lag. Eigentlich war es Helene gewesen, die ihn darauf gebracht hatte, Bosteels’ Atelier zu besuchen. Nun wollte er ihn sehen. Er wollte wissen, wie der Mensch aussah, den Helene so verachtenswert fand.
    Die Rue Josaphat war eine kaum befahrene Straße mit drei- und vierstöckigen Bürgerhäusern und lag nur wenige Querstraßen entfernt von Verhoevens Galerie. Henryk fühlte sich als Eindringling, als er durch einen Tordurchgang den Innenhof des Hauses betrat. Efeu rankte an geschwärzten Ziegelwänden empor, überall stapelte sich Unrat.
    Er trat näher an die Tür. Im Halbdunkel dahinter zeichnete sich ein Treppenhaus ab. Es roch nach gekochtem Gemüse. Unschlüssig blieb er stehen und erschrak, als plötzlich ein Mann im Rahmen auftauchte.
    „Hallo.“ Die Stimme war leise und freundlich. „Suchen Sie jemanden?“ Der Mann war ältlich und stand etwas gebeugt, sein schütteres Haar mit Grau durchschossen. Eine eckige Brille vergrößerte seine Augen und verdeckte nur halb das Feuermal, das sich von seiner Wange bis hoch zur Schläfe zog. „Kann ich Ihnen helfen?“
    Sein Körper steckte in einem schäbigen Kittel, und Henryk hatte plötzlich das schreckliche Gefühl, sich selbst gegenüberzustehen, gealtert und krumm von zahllosen Enttäuschungen.
    „Nein“, stammelte er.
    Der Mann lächelte.
    „Nein, tut mir leid.“ Henryk wich einen Schritt zurück. „Ich habe mich nur verlaufen. Tut mir leid.“
    Halb stolpernd wandte er sich um und floh. Er blieb erst stehen, als er das Ende der Straße erreicht hatte, schwer atmend. Stille lag über den Häusern, kein Mensch war zu sehen.
    Seine Kehle fühlte sich geschwollen an, die Augen brannten. Er widerstand dem Bedürfnis umzudrehen und zurückzukehren zu dem ältlichen Mann, und ihm zu sagen, wie leid es ihm tat.
    Denn ändern würde es nichts.
     
     
     
    Auf dem Weg zu Verhoevens Galerie gewann er seine Fassung zurück. Er zitterte nicht mehr, als er die Stufen hinaufstieg.
    Verhoeven beendete ein Telefonat, als Henryk sein Arbeitszimmer betrat. Er stand von seinem Stuhl auf und streckte ihm die feiste Rechte entgegen. „Du hast versucht, mich anzurufen.“
    „Ja“, erwiderte Henryk, ohne die Hand zu ergreifen, „und jetzt bin ich da.“
    Verhoeven ließ den Arm sinken, sein Lächeln verblasste. „Stimmt was nicht?“
    „Kennst du einen Jan Bosteels?“
    „Wieso?“ Die Stimme des Galeristen verlor an Volumen.
    „Weil er bei Baeskens aufgetaucht ist, um seine Dienste als Restaurator anzubieten.“
    „Machs dir gemütlich.“
    Henryk ließ sich in einen Sessel sinken und beobachtete den Galeristen, der sich ihm schwerfällig gegenüber setzte.
    „Das erklärt Peters Versuche, mich zu erreichen.“
    „Du warst aber nicht zu erreichen.“
    „Mein Gott“, fuhr Verhoeven auf, „ich habe das Recht, mein Telefon mal für einen Tag abzuschalten, oder?“
    „Dieser Bosteels hatte Fotos von meinem Vermeer.“
    „Was heißt hier dein Vermeer?“
    „Wessen Vermeer denn sonst?“, fragte Henryk lauernd.
    „ Vermeers Vermeer.“ Ein mürrischer Ton schlich sich in Verhoevens Stimme. „Hör auf, die Diva zu spielen.“
    Henryk schluckte. Er hasste die Grobheit des Galeristen, die ihn immer einschüchterte, selbst jetzt noch, nachdem er ihm seinen Willen aufgezwungen hatte.
    „Er hatte Fotos vom Vermeer“, wiederholte er. „Er hat sie Baeskens gezeigt und gesagt, er hätte das Bild restauriert.“
    „Ja dumm gelaufen. Was soll ich jetzt machen?“
    Sie starrten sich an.
    „Was hat Baeskens zu dir gesagt?“, fragte Verhoeven.
    „Machst du dir überhaupt keine Sorgen?“, fuhr Henryk auf.
    „Doch. Aber es nützt uns nichts, wenn wir in Panik ausbrechen.“ 
    „Wie kommt der Kerl an die Fotos?“
    „Jemand musste schließlich das Bild reparieren. Du hast dich ja wie ein Irrer daran ausgetobt.“
    „Du hast es ihm gegeben?“
    Verhoeven zündete sich eine Zigarette an. „Ich habe ihm

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