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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Vögel vor dem Fenster und der Bäckerjunge ruft ‚Guten Morgen’ hoch zum Balkon, während er unten mit dem Fahrrad vorbeifährt.“ Hörbar stieß sie den Atem aus. „Und unser Haus in Ukkel, das wäre die Höhle des Löwen, mit Leibwächtern und Kronleuchtern und Wachhunden im Vorgarten. Das protzige Schloss des Drogenbarons.“ Der Humor war aus ihrer Stimme gewichen und ließ nur Kühle zurück.
    Unbehaglich wartete er darauf, dass sie weiterredete. Aber sie schwieg. Nur ihre Sohlen klapperten auf den steinernen Stufen. Er klinkte die Haustür auf und ließ sie vorausgehen.  
    „Das stimmt doch nicht“, sagte er endlich.
    Sie zuckte mit den Schultern.
    „Nein“, murmelte sie nach einer Pause, „ich bin ungerecht.“ Sie machte eine Kopfbewegung die Straße hinunter. „Kommen Sie, mein Auto steht gleich da drüben.“
     
     
     
    Sie fuhr einen eleganten silberfarbenen Wagen. Henryk konnte das Emblem auf dem Frontgrill nicht deuten, aber als er die Beifahrertür öffnete und sich in die hellgrauen Lederpolster setzte, musste er an Martha denken. Der Duft katapultierte ihn zurück in einen kalten Wintertag am Meer.
    Helene ließ den Motor an und er beobachtete sie, ihre linke Hand am Lenkrad, die andere auf dem Schalthebel, während sie den Wagen aus der Parklücke steuerte. Ihre Fingernägel waren klein und oval und glänzten wie Perlmutt.
    „Haben Sie etwas wegen diesem Bosteels herausgefunden?“, fragte sie unvermittelt.
    Er verstand nicht sofort.
    „Jan Bosteels. Der Hochstapler.“
    Sein Herzschlag beschleunigte sich. „Ich habe Paul Verhoeven angerufen. Aber er war nicht zu erreichen.“
    „Peter dachte, dass der Mann Sie von irgendwo kennt, und so an die Fotos gekommen ist.“
    „Ich habe den Namen noch nie gehört.“ Mit einem Schlag waren die Magenschmerzen zurück. Er hatte vor Sorge schlecht geschlafen und am Morgen versucht, den Galeristen zu erreichen. Dann war er in die Wohnung gefahren, um Helene zu treffen, und hatte die Sache für ein paar Stunden verdrängt.
    „Ich dachte mir gleich, dass er merkwürdig ist. Schon an der Tür. Wie er aussah. Ganz knochig, und hier“, sie hob eine Hand zur Wange, „ein fürchterlicher Ausschlag.“
    „Und diese Fotos?“
    „Ich habe sie gar nicht gesehen. Aber Peter meinte, er ist vielleicht mal in Ihrer Werkstatt gewesen und hat die Gelegenheit genutzt. Oder sie sind gefälscht. Das würde mich auch nicht überraschen.“ Sie schnaubte abschätzig. „Wie kommt der Mann dazu, sich mit fremden Federn zu schmücken?“
    Sie schwiegen eine Zeitlang. Helene ordnete sich in den dichten Verkehr auf der Avenue d’Louise ein und bog auf die Chaussée de Charleroi ab.
    „Er hat Ihre Arbeiten als seine ausgegeben“, fügte sie hinzu. „Macht Sie das nicht wütend? Mich hat es jedenfalls wütend gemacht.“ Sie wölbte ihre Lippen nach vorn, und er sah, wie ernst sie es meinte. Sie ärgerte sich wirklich über diesen Mann, der behauptet hatte, er habe den Vermeer restauriert.
    „Was wollte er überhaupt?“
    „Aufträge natürlich. Er hat gehört, dass Peter das Gemälde erworben hatte und wollte seine Dienste anbieten. Armselig.“
    Henryk wandte den Blick ab und starrte nach vorn auf die Straße. „Vielleicht wusste er sich nicht anders zu helfen.“
     
     
     
    Gelbe Ledersessel, hatte Helene gesagt, und Vorhänge aus Seidenstreifen und Musselin. Sie hatten drei Stunden lang Kataloge und Zeitschriften durchgeblättert.
    Henryk hängte sich die Ledertasche auf die andere Seite, weil seine Schulter schmerzte. Es war heiß und die grünen Hecken entlang der Straße spendeten kaum Schatten. Er ärgerte sich, weil er Helenes Angebot, ihn zum Atelier zurückzufahren, ausgeschlagen hatte. Er hatte befürchtet, dass sie ihn dann bitten würde, sie mit hochzunehmen. Dabei durfte sie das Atelier nicht sehen. Niemand durfte das.
    Ganz am Ende der Avenue de Fréstand die Bushaltestelle. Die Tasche, schwer von den Möbelkatalogen, schlug bei jedem Schritt schmerzhaft gegen seine Hüfte. Obwohl spät am Nachmittag, brannte die Sonne immer noch so heiß, dass der Teer zwischen den Wegplatten schmolz.
    Er dachte an die Vorhänge, die Helene für das Wohnzimmer ausgesucht hatte, und die hohen Glasvasen. Sie waren zu hoch, um Mohn oder Tulpen zu fassen, aber das hatte er ihr nicht sagen wollen. Er hatte nur genickt und gelächelt und genossen, wie sie neben ihm auf dem Sofa hockte und wie sie ihre Hände bewegte, während sie ihm beschrieb, wie die Zimmer

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