Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
schreiben?“
Henryk notierte die Telefonnummer. Das Gefühl der Unwirklichkeit hielt an. „Was haben Sie ihm gesagt?“
„Dass ich mit Hochstaplern nichts zu tun haben will.“ Baeskens lachte. „Er wirkte vor den Kopf geschlagen. Aber was erwartet der Mann?“
„Ich weiß nicht.“
„Telefonieren Sie mit Paul. Ich bin ein paar Tage unterwegs, aber vielleicht wollen Sie der Sache nachgehen?“
„Ja“, brachte Henryk hervor. „Ja, mache ich.“
„Jetzt nehmen Sie es sich nicht zu Herzen.“ Baeskens klang wohlwollend. „Nehmen Sie’s als Kompliment! Alle großen Geister leben mit Nachahmern in ihrem Fahrwasser. Weiß der Teufel, wo der Mann die Fotos her hatte. Der Rauswurf wird ihm eine Lehre sein.“
Henryk ließ sich nach vorn sinken, nachdem Baeskens aufgelegt hatte und presste die Stirn gegen die Fensterscheibe. Trotz der Wärme fröstelte er.
28
Gelber Blütenstaub blieb an Henryks Fingern kleben, als er über die Balkonbrüstung strich. Unter leichten Schritten knarrte Parkett. Eine Durchgangstür schlug mit einem Knall zu, als der Wind sie erfasste.
„Entschuldigung!“, rief Helene. „Tut mir leid!“
Ihre Stimme verfing sich in den langen weißen Vorhängen, bauschte sich im Wind und verflog wie Blütenblätter. Sie tauchte aus dem Nachbarzimmer auf und lächelte ihn an. „Die Wohnung ist phantastisch.“
„Nur etwas leer.“
„Daran arbeiten wir ja. Wo sollen wir den Tisch aufstellen? In diesem Zimmer?“
„Sie sind die Innenarchitektin.“
„Da es bis jetzt das einzige Möbelstück ist ...“ Sie ließ die Hand sinken. „Haben Sie an den Grundriss gedacht?“
„Der Grundriss…“ Er hatte ihn vergessen. Eine A4-Seite, die auf seinem Tisch im Atelier lag.
„Sie haben Blütenstaub im Gesicht.“
„Oh.“ Verlegen betrachtete er seine Finger.
„Ein Glück, dass ich so ein vorausschauender Mensch bin.“ Sie stellte ihre Umhängetasche auf den Boden und holte einen kleinen Schreibblock und ein Maßband daraus hervor.
„Wollen Sie den Plan neu zeichnen?“
„Hier, halten Sie.“ Helene wickelte das Maßband ab und drückte ihm ein Ende in die Hand. Die Berührung ihrer Finger war kurz und trocken und überraschte ihn, so dass er einen Moment lang wie versteinert war. Leicht schob sie ihn zur Seite, um an ihm vorbei durch die Tür zu treten, und er fühlte sich hölzern und unbeholfen.
„Wir fangen mit dem Flur an. Gehen Sie zur Tür, okay? Und halten Sie das Maßband in die Ecke.“
Ihre Sandalen quietschten auf dem Parkett. Ihm gefiel der Klang. Er bückte sich und presste die Blechlasche auf den Boden, während sie zuerst die Länge und dann die Diagonale des Korridors notierte.
„Als Nächstes die Küche.“
Er sah, dass unter den blauen Lederriemchen ein Pflaster auf ihrem Knöchel klebte.
„Ich traue mich ja kaum zu fragen.“ Beiläufig öffnete sie einen Küchenschrank. „Aber besitzen Sie Geschirr, das Sie hier hineinstellen können?“
Er schüttelte den Kopf. Er wollte etwas Schlagfertiges erwidern, fand aber keine passende Antwort. Stattdessen überflutete die alt vertraute Röte sein Gesicht. Sie ignorierte seine offenkundige Verlegenheit und schlug unbekümmert die Schranktür zu. „Und wie essen Sie? Gehen Sie jeden Tag ins Restaurant? Das muss ziemlich kostspielig sein.“
Er musste lachen und entspannte sich. Der peinliche Moment ging vorüber. „Nein.“
„Also MacDonalds? Hat auch den Vorteil, dass man nicht abwaschen muss.“
„Sagen wir, mein Vorrat an Tellern und Tassen ist begrenzt. Und sie passen alle nicht zusammen.“
„Das werden wir ändern müssen.“
„Müssen wir?“
„Wenn Sie den De Lucchi-Tisch haben, dann können Sie nicht einen grünen und einen blauen Teller draufstellen und zwei Plastikbecher für die Getränke.“
„Und was, wenn ich behaupte, es wäre Kunst?“
Helene lächelte. Sie streckte eine Hand aus und berührte seinen Arm. Es war eine vertrauliche Geste. Eine, die er viele Male zwischen ihr und ihrem Mann beobachtet hatte.
„Ich beneide Sie.“ Helenes Stimme hallte ein wenig, als sie nebeneinander die Treppe hinunter stiegen.
Henryk sah sie von der Seite her an. „Wie bitte?“
„Ich beneide Sie um diese Wohnung.“
„Gegen Ihr Haus?“ Ungläubig schüttelte er den Kopf.
„Wie soll ich das erklären? Stellen Sie sich vor, wir wären in einem Hollywood-Film. Dann wäre das hier die Zuflucht des romantischen Helden. Wenn er aufwacht, zwitschern die
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