Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
du da?“
    „Du kannst sie in Ruhe lassen. Sie kann sich sowieso an nichts erinnern.“
    Etwas verschob sich in Verhoevens Blick. Der Galerist verstand genau, worauf er anspielte. Henryk war sich plötzlich ganz sicher.
    Seine Wut entlud sich in einer rot glühenden Eruption. Er dachte nicht, er barst innerlich. Er ballte beide Fäuste und prallte gegen den massigen Mann. Der Stoß setzte sich in seine Schultern fort, als seine Knöchel sich in den Leib des andern gruben. Verblüffung gefror auf Verhoevens Gesicht. Er taumelte zurück. Ein Krachen erschütterte den Raum, als er im Sturz die Hälfte der Malutensilien vom Tisch riss. Henryk setzte ihm nach und holte zu einem weiteren Schlag aus.
    Doch die Bewegung stockte. Verhoeven packte sein Handgelenk und hielt es fest und brüllte auf ihn ein.
    Henryk schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben. Verhoeven stieß ihn zurück. Hart prallte er gegen den Tisch. Ein scharfer Schmerz schnitt durch seine Wahrnehmung und erstickte die Glut wie ein Schwall Eiswasser. Sein Rücken war plötzlich wie gelähmt.
    „Hast du den Verstand verloren?“ Von weit her schwappten die Worte in sein Bewusstsein. Er starrte hoch zu Verhoeven, der sich wieder aufgerichtet hatte und ihm eine feiste Hand entgegenstreckte, um ihm aufzuhelfen. Dann erst bemerkte er, dass der Galerist in das Bild gestürzt war, bei ihrem Handgemenge.
    „Deine Scheißdrogen haben dir das Gehirn weich gekocht!“ Der Galerist machte eine weit ausholende Bewegung mit dem Arm. Etwas splitterte am Boden. Der Gestank von Rotwein stieg Henryk in die Nase. In der Weinpfütze schwamm das Kunststoffröhrchen mit den Koffeintabletten. Verhoeven wandte ihm den Rücken zu und bückte sich, um das Bild wieder aufzurichten. Der Keilrahmen war gesplittert, die Leinwand wölbte sich in einem unnatürlichen Winkel.
    Henryk konnte nicht sehen, ob sie gerissen war. „Mörder“, murmelte er.
    „Was?“
    „Mörder.“ Deutlicher jetzt. „Du hast sie umgebracht. Hattest du Angst, dass jemand die Ähnlichkeit erkennt? Oder wolltest du von Anfang an das Bild, und es als echten Vermeer verkaufen?“
    „Du redest ja im Fieber.“ Verhoevens Augenlid zuckte jetzt stärker.
    „Ich werde es Baeskens sagen.“
    „Was willst du ihm sagen?“
    „Dass du versucht hast, Helene umzubringen.“
    Verhoeven lachte, ein scharfer Laut. „Und erklärst du ihm dann auch, dass du dich in seine Frau verknallt hast und sie deshalb auf dem Vermeer porträtieren musstest, den du gerade fälscht? Damit die andere Fälschung, die wir ihm verkauft haben, eine Schwester bekommt?“ Er wedelte mit der Hand. „Nur zu! Bestimmt freut er sich, das zu hören.“
    Henryk musste husten. Sein Handgelenk schmerzte, die Fingerabdrücke auf der Haut verfärbten sich ins Bläuliche. Verhoeven verfügte über Körperkräfte, die er ihm nie zugetraut hätte.
    „Bist du es gewesen?“, fragte er erschöpft.
    „Ich bin kein Irrer.“ Verhoeven wischte sich über das Gesicht. Dann wies er auf das Gemälde. „Jemand muss das reparieren.“
    „Jan Bosteels wird das wohl nicht übernehmen können.“
    „Was meinst du damit?“
    „Noch so ein Unfall. Wie praktisch.“ Die Puzzleteile in seinem Kopf rutschten ineinander. Der Gedanke entstand im gleichen Moment. Er hatte das zuvor nicht mit dem Vermeer in Verbindung gebracht. „Es passieren ziemlich viele Unfälle, seit die Vermeer-Fälschung im Umlauf ist.“
    „Du bringst das wieder in Ordnung.“ Verhoeven machte eine Kopfbewegung zum Vermeer.
    „Und was, wenn nicht?“
    „Mitgefangen, mitgehangen.“ Eine neue Schärfe schwang in Verhoevens Stimme. „Du wolltest deinen Anteil, jetzt hängst du mit drin. Ich habe Baeskens jedenfalls nicht erzählt, es gäbe einen zweiten Vermeer.“ Der Galerist machte einen Schritt auf ihn zu. Sein Atem streifte Henryks Gesicht. „Lass mich hängen und wir gehen zusammen ins Gefängnis. Denkst du, Peters süße Frau oder seine vornehmen Freunde wollen mit einem Fälscher in Verbindung gebracht werden? Dann bist du nicht mehr der feingeistige Kunstchirurg, der den kostbaren Vermeer wiederhergestellt hat. Nein, dann bist du der Kerl, der sie alle über den Tisch gezogen hat. Willst du das?“
    Henryk wandte den Kopf ab, weil er den Geruch nicht ertrug. Das Pochen des Regens an den Scheiben klang überlaut in die Stille. Er wollte am liebsten die Arme um seinen Körper schlingen und die Tränen weinen, die hinter seinen Augen drückten. Aber das konnte er

Weitere Kostenlose Bücher