Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
bremste und wieder zurücksetzte, um am Straßenrand zu parken.
    Ein dunkelblauer Wagen, ziemlich groß.
    Sein Blick sog sich am Volvo fest. Verhoeven lenkte vor und zurück und manövrierte umständlich in die Parklücke.
    Henryk beugte sich vor, um besser sehen zu können. Seine Fingerspitzen begannen zu brennen. Sein Gesicht fühlte sich mit einem Mal taub an.
    Er starrte hinab auf das kastenförmige Dach mit den Skiträgern, das in der aufziehenden Dämmerung beinahe schwarz wirkte.
    Die Fahrertür wurde aufgestoßen, Verhoeven stieg aus.
    Henryk versuchte die Tage vor Helenes Unfall zu rekapitulieren. Er hatte ihr Porträt fertiggestellt und in die Wohnung in St. Gilles mitgenommen. Er erinnerte sich, wie er es in Zeitungspapier geschlagen hatte. Er dachte an die Möbelspediteure und wie wütend er gewesen war. Und dann Helene, die überraschend auftauchte, und die er so grob abgewiesen hatte, weil im Wohnzimmer das kleine Gemälde lag, das sie nicht sehen durfte.
    Danach hatte er es in einem Wutanfall zerbrochen, nicht unähnlich dem zerstörerischen Rausch, dem auch der erste Vermeer zum Opfer gefallen war. Er war kein mystisch veranlagter Mensch und wollte nicht glauben, dass es eine Verbindung zwischen der Zerstörung der Bilder und den realen Unfällen gab, denen Martha und fast auch Helene zum Opfer gefallen waren. Aber manchmal hatte er gezweifelt, in langen Nächten, in denen er malte, anstatt zu schlafen.
    Nachdem er das Porträt beschädigt hatte, hatte er der Frau auf dem zweiten Vermeer ebenfalls Helenes Züge verliehen, eine Art heimliche Abbitte für die Tat. Er war froh gewesen, dass Verhoeven nichts gesagt hatte. Und zwei Tage später war der Unfall passiert.
    Mein Gott.
    Im Treppenhaus sprang ächzend der Fahrstuhl an. Henryk lauschte, wie die schwere Kabine nach unten fuhr und mit einem Rasseln stehen blieb.
    Er hatte den Zusammenhang an der falschen Stelle gesucht. Ein anderer Tag kam ihm in den Sinn, einer, der lange zurück lag. Die hässliche Auseinandersetzung mit Verhoeven um Marthas Gesichtszüge auf dem ersten Vermeer. Er erinnerte sich nicht mehr an jedes Detail, aber er wusste, wie wütend er gewesen war und wie nahe daran, den Auftrag einfach hinzuwerfen.
    Verhoeven hatte schließlich eingelenkt und er war stolz gewesen, dass es ihm gelungen war, dem Galeristen seinen Willen aufzuzwingen. Aber was, wenn Verhoeven nur scheinbar nachgegeben hatte? Und das Problem auf andere Weise gelöst hatte?
    Ihm wurde übel. Er schluckte Galle herunter. Auf der anderen Seite der Stahltür ächzten Zahnräder und Seilzüge. Die Arme um seine Knie geschlungen, wartete er darauf, dass der Fahrstuhl stoppte und die Klingel an seiner Tür anschlug.
    Es ging um Millionen. Und wie sollte er wissen, wo Verhoeven die Grenzen zog, wenn soviel Geld im Spiel war?
    Die Drahttür zum Aufzugsschacht fiel krachend ins Schloss. Das Schrillen der Klingel schnitt in die Stille. Henryk schwang die Beine vom Fensterbrett und ließ sich zu Boden gleiten.
    Groß und dunkel. Xenonlichter.
    Noch einmal warf er einen Blick aus dem Fenster. Von oben konnte er nicht mehr von den Scheinwerfern erkennen als eine schmale weiße Linie.
    Die Klingel schrillte erneut, drei kurze Stöße.
    Er eilte zur die Tür und löste den Riegel.
    „Scheiß Baustelle.“ Verhoeven trat ein und lehnte einen Regenschirm gegen die Wand. „Ich frage mich, warum die die Einfahrt blockiert haben, bloß weil sie ein paar Fenster austauschen.“
    Henryk zuckte mit den Schultern. Er musterte Verhoevens schwere Gestalt, während der Galerist an den Tisch trat und die Thermoskanne mit dem Kaffee aufschraubte. In seiner Brust pulsierte ein Knoten, der ihm den Atem raubte, ein Tumor aus Hass und Hilflosigkeit. Er folgte Verhoeven zum Vermeer an der Wand. Ein Netz von Sprüngen war im Firnis entstanden, feine Linien, die immer weiter aufrissen. Noch zwei oder drei Wochen, dann würde er die Leimkruste von der Rückseite der Leinwand abwaschen, um den Prozess zu stoppen.
    Er sah, wie der Galerist den Kopf schräg legte, wie sein Blick am Antlitz der Frau hängen blieb. Wie er ihr in die Augen starrte.
    Zorn presste sich aus dem Mahlstrom in seinem Innern, stieg seine Kehle hinauf. „Bist du zufrieden?“, stieß er hervor. „Ich habe ihr Gesicht entfernt und durch ein anderes ersetzt. Bist du jetzt zufrieden?“
    Verhoeven drehte sich um. Henryk bemerkte, dass sein rechtes Augenlid zuckte. Merkwürdig, dass ihm das nie zuvor aufgefallen war. „Was redest

Weitere Kostenlose Bücher