Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
Medikamenten und vom Schlafmangel. Sein Körper akzeptierte die Behandlung nicht länger. Als er sich am Morgen im Spiegel betrachtet hatte, war ihm aufgefallen, dass seine Augenringe sich wie schwarze Höhlen ins Gesicht gegraben hatten, und dass seine Haut aussah wie sprödes Pergament.
Der Gestank des verschütteten Alkohols machte ihn schwindlig. Er hatte den Wein aufgewischt und den Lappen ausgewaschen, aber es änderte nichts daran, dass der Geruch sich in den Wänden und Möbeln gefangen hatte. Es würde Tage dauern, bis er ganz verflogen war.
„Es ist die gleiche Frau wie auf dem anderen Bild, nicht wahr?“ Helene drehte sich um. „Ist es fertig?“
„Beinahe.“ Er bemühte sich, nicht laut zu sprechen, um die empfindliche Stille nicht zu verletzen.
„Und das?“ Sie deutete auf die andere Staffelei.
„Das ist meine eigene Malerei.“
„Es ist schön.“ Sie stockte. „Außergewöhnlich.“
„Die Ausstellung ist im Oktober. Kommst du zur Vernissage?“
„Peter ist sicher eingeladen.“
„Ja, von Verhoeven. Aber dich lade ich persönlich ein.“
Sie lächelte und ließ sich auf sein Sofa sinken.
„Komm, setz dich her“, bat sie. „Es macht mich nervös, wenn du dort im Dunkeln stehst.“
Wortlos gehorchte er.
„Ich dachte, dein Atelier ist eine Art Frankenstein-Labor.“ Ihre Stimme zitterte. Sie war nervös. Das überraschte ihn und schürte zugleich seine Erregung.
„Warum?“
„Weil du so ein Geheimnis darum gemacht hast.“
„Das war doch nur wegen dem Vermeer-Gemälde.“
„Verhoeven macht immer ein Riesengeheimnis um seine Neuerwerbungen.“ Sie streifte ihre Schuhe von den Füßen, zog die Knie an und stemmte ihre Fersen gegen die Kante des Polsters. „Weißt du was? Ich mag Verhoeven nicht. Peter kennt ihn schon ewig, aber ich finde ihn unheimlich. Es kommt mir immer so vor, als ob etwas nicht mit ihm stimmt. Verstehst du, was ich meine?“
„Ja“, murmelte Henryk. Er wollte sie am liebsten schütteln und sie dazu zu bringen, sich an Details ihres Unfalls zu erinnern. Zugleich wollte er einen Arm um sie legen und sein Gesicht in ihre Haare wühlen. Dabei konnte er weder das eine, noch das andere tun.
Sie schwieg eine Zeitlang, dann blickte sie auf. „Es gibt einen Grund, aus dem ich dich treffen wollte.“
Seine Wangen brannten.
„Wenn Peter dich fragt, dann darfst du ihm nicht sagen, dass ich dich gebeten habe, ihn nicht anzurufen.“ Ihre Stimme kippte. „Das ist wichtig.“
„Warum?“
„Warum machst du es so kompliziert?“, fuhr sie ihn an, in einem plötzlichen, unerwarteten Ausbruch. „Du kannst doch einfach ...“ Sie stockte. Ihr Atem wurde lauter, dann bemerkte Henryk, dass sie weinte. Hilflos berührte er sie an der Schulter. Als sie sich nicht regte, zog er sie an sich. Sie leistete keinen Widerstand. Halb ließ sie sich gegen seine Brust sinken. Er streckte auch noch den anderen Arm aus und legte ihn um ihren Körper, so dass er sie ganz umfangen hielt.
„Ich wollte nicht, dass er mich so sieht.“ Sie schluchzte. „Ich hatte Angst, dass er sich einfach umdreht und den Raum verlässt, und das hätte ich nicht ertragen.“
„Das hätte er nicht getan“, murmelte er in ihr Haar.
„Du kennst ihn nicht. Er sammelt schöne Dinge. Und ich bin auch so ein Ding. Er wirft sie weg, wenn sie Kratzer haben. Ich will aber nicht, dass man mich wegwirft.“ Sie weinte heftiger. „Aber er wird jetzt denken, dass ich ihn aus einem anderen Grund nicht angerufen habe. Er wacht nämlich sehr eifersüchtig über seinen Besitz.“
Eine Träne benetzte sein Handgelenk.
„Er dachte, du und ich ...“
„Was?“
Henryk spürte seinen Herzschlag in der Kehle und wusste nicht, ob es Furcht war oder Erwartung.
Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. „Ich bin das, was man ein Luxusgeschöpf nennt.“ Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab. „Ich weiß das und ich kann es nicht ändern. Ich war früher anders, glaubst du mir das?“
Er nickte.
„Es gibt Zeiten, da würde ich alles geben, um aus diesem Leben ausbrechen, aber ich kann nicht. Was soll ich machen, wenn Peter sich nicht mehr um mich kümmert?“
„Du suchst Sicherheit.“
„Vielleicht.“ Sie drehte den Kopf und sah zu ihm hoch. „Aber es ist mehr als das. Ich ertrage es nicht, ein Niemand zu sein. Nicht mehr. Glaubst du, ich bin anmaßend?“
„Wenigstens denkst du über dein Leben nach.“
Sie lachte ein ersticktes Lachen, richtete sich auf und entzog sich
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