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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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einem gemusterten Kleid.
    „Das Essen ist soweit“, sagte sie. „Soll ich auf der Terrasse servieren?“
    „Ja, bitte. Wir kommen gleich.“ Nachdem die Frau verschwunden war, sagte Baeskens: „Das war Marianne. Sie kümmert sich um den Haushalt und kocht ganz hervorragend.“
    „Ist Helene nicht da?“ In Henryks Magen keimte ein flaues Gefühl auf. Peters Gesicht verdunkelte sich, doch nur kurz. „Sie musste zu einem Arzttermin. Ich soll Ihnen schöne Grüße ausrichten.“
    Henryk nickte, voller Unbehagen. Er hatte plötzlich Angst, dass Peter in ihm lesen konnte wie in einem Buch. Dass er von Helenes Besuch bei ihm wusste. 
    Doch das Lächeln blieb makellos. „Kommen Sie. Sonst wird das Essen kalt.“
     
     
     
     „Helene ist ganz vernarrt in Sie.“ Baeskens legte das Besteck beiseite. „Wussten Sie das?“
    Henryk schoss Hitze in die Wangen. Er pflückte einen weiteren Bissen von seiner Gabel, kaute, trank mehr Wasser, um Zeit zu kaufen. Schließlich schüttelte er den Kopf. „Nein“, murmelte er mit vollem Mund.
    „Aber es ist offensichtlich.“ Der Sammler lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Ein schmales Lächeln kerbte seine Mundwinkel. „Finden Sie sie attraktiv?“
    Henryk schluckte. „Warum fragen Sie das?“
    „Tun Sie es?“
    „Jeder würde das.“
    „Aber Sie sind nicht jeder.“
    „Ist es wegen dem Unfall?“
    Das Lächeln in Baeskens’ Miene erlosch. „Sie müssen sich fragen, warum Helene mich nicht sehen wollte.“
    „Sie lag im Koma.“ Henryk sprach zu schnell und zu scharf konturiert. „Eine Ärztin hat mich angerufen. Vielleicht haben sie meine Nummer bei ihren Sachen gefunden.“
    „Sie brauchen sie nicht zu verteidigen. Die Ärztin hat Sie angerufen, weil Helene ihr Ihre Nummer gegeben hat, nicht meine.“
    Henryk wusste nicht, was er erwidern sollte.
    „Helene ist ein schwieriger Mensch.“ Baeskens beugte sich vor. „Ich möchte, dass Sie das wissen, damit kein falscher Eindruck bei Ihnen entsteht. Wir sind nicht immer einer Meinung, und dann tut sie seltsame Dinge. Sie glaubt, sie müsse das tun, und hinterher bedauert sie es. Und dies ist so eine Situation. Sie glaubt, einen Freund in Ihnen gefunden zu haben. Jemanden, der sie versteht und den sie um Rat fragen kann.“ Seine Stimme senkte sich. „Und Sie werden ihr das Richtige raten, nicht wahr?“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Doch, das tun Sie.“ Baeskens griff nach der Wasserflasche und schenkte ihm nach.
    Henryk trank aus seinem Glas, während Baeskens ihn musterte.
    „Verhoeven sagt, dass Sie eine neue Ausstellung haben.“
    „Die Vernissage ist im Oktober.“ Er streckte sich nach dem neuen Thema wie nach einem rettenden Strohhalm. „Möchten Sie die Bilder sehen?“
    Baeskens Kopfschütteln versetzte ihm einen Stich.
    „Ich werde sie sehen, wenn sie bei Verhoeven an der Wand hängen. Wenn Sie den Vermeer nicht inzwischen fertig hätten, würde ich es Ihnen sogar übel nehmen, dass Sie soviel Zeit davon abgezweigt haben.“
    Henryk zwang sich zu lächeln. Er hatte sich vorgestellt, wie es sein würde, wenn Baeskens die Bilder zum ersten Mal sah. Doch nun stieg Furcht in ihm hoch und verdrängte die Erwartungsfreude. Die ganze Zeit, während er an den Seelengittern malte, war ihm nicht in den Sinn gekommen, dass Baeskens sie missbilligen könnte.
    Baeskens war es ja erst gewesen, der ihn zu der Idee inspiriert hatte.
     

36
     
     
     
    Die Bäume in der Avenue Louis Bertrand ließen keinen Zweifel, dass der Sommer sich endgültig dem Ende zuneigte, obwohl es noch warm war. Gelbe Blätter raschelten unter Henryks Füßen, während er eine Kastanie vor sich her stieß, auf dem Weg zu Verhoevens Galerie.
    Es roch nach Heu und feuchter Erde. Er lockerte seinen Griff um das Gemälde und wechselte es auf die andere Seite, eine sperrige Rolle in Packpapier. Er konnte die Schönheit des Tages nicht genießen. Seine Kehle schmerzte, wie von einer nicht endenden Grippe. Der Schmerz verschwand einfach nicht. Ohne die Cocktails aus Paracetamol und Koffein fühlte er sich elend. Dabei wusste er, dass sie seinen Körper auslaugten, viel schlimmer als die Bleidämpfe. Vor ihm lag die Vernissage und er musste das letzte Bild fertigstellen. Er wagte nicht, sich auszumalen, was passierte, wenn er die Tabletten absetzte. Er konnte es einfach nicht riskieren. Nicht jetzt, nicht so kurz vor dem Ziel.
    Er bog in die Rue de la Ruche und kniff die Augen zusammen, als schräg einfallende Sonnenstrahlen ihn blendeten.

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