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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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klirrte. Oder das Mikrofon? Er stockte. Das Licht blendete ihn noch immer. Er konnte Helene nicht mehr sehen.
    „Ich möchte etwas zur Entstehung dieser Bilder sagen.“ Er starrte hinab auf die Seiten in seiner Hand. Die Buchstaben tanzten vor seinen Pupillen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Jemand hustete. 
    „Ich habe mich viele Jahre mit altmeisterlicher Maltechnik beschäftigt.“ Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung im Raum. Er drehte den Kopf, weil er glaubte, verwischtes Rot zu sehen. Aber da war nichts.
    „Ich habe ...“, er richtete seinen Blick zurück aufs Papier und stockte erneut, weil er die richtige Zeile nicht fand. Sein Nacken brannte.
    „Schichtentechnik“, stieß er hervor. „ Sfumatura .“
    Die Blätter zwischen seinen Fingern fühlten sich feucht an. Er blinzelte ein paar Mal und hob die Seiten dicht ans Gesicht. Endlich gelang es ihm, die Worte zu entziffern. Er überflog ein paar Zeilen. Tonlos murmelte er die Silben.
    Dann überflutete ihn eine Welle der Erleichterung, weil er den Abschnitt fand, an dem er zuvor den Faden verloren hatte.
    „ Sfumatura “, wiederholte er. „Die Meister des goldenen Zeitalters modellierten mit Schatten und Licht. Sie malten Szenen aus ihrem Alltag. Das erstarkende Bürgertum, die Themen ihrer Zeit.“ Er verstummte, als ihm bewusst wurde, wie hölzern das klang. Verstört zerdrückte er die Seiten in seiner Hand. „Was ich tue, ist ...“
    Ein Räuspern stieg aus dem Publikum auf. Er glaubte Flüstern zu hören, das sich verdichtete, wie Wind in Blätterwolken.
    „... ist die Verbindung der alten Techniken mit Motiven der Moderne.“ Seine Stimme gewann an Volumen und offenbarte Kanten und Schneiden, die Schärfe seines Akzents.
    Er fuhr fort, nun weniger stockend, schleuderte seine Worte gegen das Raunen im Raum. Sein Blick flackerte über die Köpfe, stieß gegen Scheinwerfer und blieb wieder hängen. Dort stand sie, dicht an der Wand, und lauschte ihm.
    „Meine Motive sind die Welt“, sagte er, „die Menschen, eine Frau .“
    „Eine Frau.“ Er ließ die Worte schwingen. Seine Augen tasteten nach Helenes Blick. Er wollte, dass sie verstand. Dass sie verstand, für wen er das tat.
    Verhoeven, dicht neben ihm, begann zu klatschen. Henryk öffnete den Mund und wollte erklären, dass er noch nicht fertig war, aber andere Gäste fielen in den Beifall ein. Dann, als das Rauschen abklang, drängte Verhoeven ihn beiseite. Henryk taumelte und fing sich wieder.
    „Vielen Dank“, tönte der Galerist. „Liebe Freunde, das Buffet ist eröffnet.“
     
     
     
     „Was war los mit dir?“, fragte Verhoeven.
    Sie standen ein wenig abseits, während die Menge sich um die Buffettische drängte. „Du hast gut angefangen und dann den Faden verloren.“
    „Tut mir leid“, murmelte Henryk. Das Verlustgefühl in seinen Magen hatte sich zu bleierner Leere verdichtet. Helene war in der Menge verschwunden. Vielleicht stand sie auch draußen, im Hof oder auf der Straße. Er fürchtete plötzlich, dass sie gehen könnte, ohne sich von ihm zu verabschieden.
    „Schon gut.“ Verhoeven schlug ihm auf die Schulter. „Ist kein Drama. Die Leute hören sowieso nicht zu. Die warten nur darauf, dass die Häppchen aufgedeckt werden.“
    „Hast du Helene Baeskens gesehen?“
    „Peter habe ich gerade getroffen.“ Der Galerist winkte mit der Hand in Richtung des Foyers. „Aber Helene? Keine Ahnung.“
    Vielleicht hatte sie sich bewusst von Peter getrennt. Vielleicht streifte sie allein durch die Menge, und hoffte darauf, von ihm gefunden zu werden?
    Ein hagerer Mann in einem lose hängenden Anzug trat auf Verhoeven zu. Sie schüttelten sich die Hände und umarmten sich.
    Henryk wich zwei Schritte zurück. „Ich bin gleich wieder da.“
    Als niemand ihn aufhielt, drehte er sich um und lief ins Foyer. Er entdeckte Peter Baeskens, der mit anderen Gästen in eine Diskussion vertieft war. Das rote Kleid war nicht zu sehen. Er machte kehrt, durchquerte den zweiten und dritten Salon, klinkte die Hintertür auf und schlüpfte hinaus.
    „Deine Kunst polarisiert“, sagte Lauwaert, dicht neben ihm.
    Henryk schrak zusammen. Er hatte den Professor im Dunkeln gar nicht bemerkt. Ein Glutpunkt leuchtete auf, als Lauwaert an seiner Zigarette zog.
    „Das ist besser, als wenn sie den Betrachter kalt ließe. Jetzt hängt es von den großen Stimmen ab, wie das Publikum sie aufnimmt.“
    „Was meinen Sie?“
    „Diese Kritiker sind ein wankelmütiges

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