Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
überrascht, und er hatte doch mit dem Schutzengel geredet.
Als Clarence nicht auf der Stelle in Rauch aufging, schien ziemlich klar, dass der Richter seine Aussage zuließ. Sam war nicht so dumm, diesem geschenkten Gaul unnötig lange ins Maul zu schauen. Er reicherte sein Schlussplädoyer rasch mit einer kräftigen Prise tragischen Leidens an und ritt den Klepper nach Hause.
Ich hätte immer noch keinen Cent darauf verwetten wollen, wie Xathanatron entscheiden würde, doch als eine lavendelfarbene Lichtsäule die verstorbene Mrs. Martino umhüllte und Grasswax’ Gesicht einen Ausdruck annahm, der besagte, dass irgendein Anwaltsgehilfe in der Hölle sich auf einen mächtigen Anschiss gefasst machen konnte, da wusste ich, dass es vorbei war und Sam gewonnen hatte.
Plötzlich war die Verstorbene weg. Grasswax verschwand unmittelbar darauf, wortlos und ziemlich wütend. Howlingfell zeigte mit einem zittrigen Krallenfinger auf mich. »Sie sind ein toter Mann, Dollar!«, knurrte er, aber seine Stimme war immer noch ein bisschen schwach von meinem Knie auf seiner Luftröhre.Dann folgte er Grasswax durch die Wunde in der Luft, und wir waren, von Xathanatron abgesehen, allein in dem eingefrorenen Augenblick.
»Gratuliere«, sagte ich zu Clarence. »Du hast dir heute die ersten Feinde gemacht.«
»Was?«
»Und nicht nur im gegnerischen Team«, sagte Sam. »Wenn du das noch mal mit mir machst, Kleiner, findet niemand all die Einzelteile wieder.«
»Einzelteile …?«
»Deine.« Er schüttelte entrüstet den Kopf. »Wenn du wieder mal so geniale Ideen hast, teste sie zuerst an mir oder Bobby aus.«
Ich beobachtete Xathanatron, der zu meiner Beunruhigung in meine Richtung zu blicken schien. Ich hatte gehofft, von so banalen Dingen wie meiner kleinen Rauferei mit Howlingfell nähme ein so hoher Engel keine Notiz.
Sie werden in der Himmlischen Stadt erwartet, Engel Doloriel , beschied mich die Säule aus Licht. Sam und der Junge hörten es nicht, aber für mich war es so laut, dass meine Schädelknochen schmerzten. Ihr Erzengel will Sie sprechen . Dann war das helle Gleißen verschwunden.
»Komm«, sagte Sam zu mir. »Zeit, wieder rüberzugehen. Ich werde Clarence ein Eis spendieren. Immerhin haben wir ja gewonnen.«
Ich für mein Teil hatte Durst, so reagiere ich nun mal, wenn Sachen gut ausgehen. Andererseits – wenn Sachen nicht gut ausgehen, reagiere ich genauso.
2
MEINE GLÜCKSWOCHE
I ch weiß schon, welche Fragen Sie mir stellen wollen. Die Antworten lauten:
Ja, Engel sein ist verdammt interessant.
Nein, ich bin Gott nicht begegnet. Noch nicht.
Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Religion letztlich recht hat, weil das nicht so klar ist.
Wie es im Himmel ist? Tja, also … haben Sie ein bisschen Geduld, ich will versuchen, es zu erklären.
Zunächst mal, der Himmel ist … kompliziert. Er ist nicht einfach ein Schloss auf einer Wolke oder ein Paradiesgarten. Er ist groß, obwohl es dort nur eine Stadt gibt – die Himmlische Stadt eben. Aber diese Stadt ist umgeben von den sogenannten Gefilden, also einer Landschaft, die sich nach allen Seiten endlos weit erstreckt – sanften Hügeln und Wiesen und sogar Wäldern, bevölkert von Seelen, die ich immer für diejenigen halte, die das Erdenleben hinter sich gelassen haben und sich jetzt des ewigen Lebens erfreuen. Wenn man sie fragt, wissen sie allerdings genauso wenig über ihre vorhimmlische Vergangenheit wie ich über mein Leben, bevor ich Engel wurde.
Normalerweise begibt man sich, wenn man gerufen wird,augenblicklich in die Himmlische Stadt. Dort läuft man weder, noch fliegt man, das ist zu simpel gedacht. Ja, selbst die Bezeichnung »Stadt« ist ein bisschen irreführend, obwohl man diesen Eindruck schon haben kann, wenn man die gewaltigen Dimensionen um sich herum sieht, die Türme und schimmernden Galerien und Verbindungsgänge unglaublich weit über sich. Wo immer man ist, umgeben einen leuchtende Präsenzen, wie die Lichter einer Million glücklicher Autos auf einer befahrenen, aber vollkommen ungefährlichen Autobahn, und jede dieser Präsenzen ist ein Engel. Und irgendwo in der Mitte, an einem Ort, den man nie richtig sieht, von dem man aber immer weiß, dass er da ist, ein stetes Strahlen am Rand des eigenen Sehens und Fühlens und der eigenen Vorstellung, ist das Empyreum, der innerste Bezirk des Himmels, wo, wie es heißt, der Höchste wohnt.
Zutritt natürlich nur auf Einladung.
Aber das alles sagt noch fast gar nichts über den Himmel,
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