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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Unzeit aufmachen und dafür sorgen, dass wir alle drei aus Jude herausgerissen und dazu verdonnert würden, minderen Sündern im Fegefeuer nachdrückliche Vorschläge zu machen. »Woher kommt er denn, wenn ich fragen darf?«
    Temuels strahlendes Gesicht verdüsterte sich um eine Winzigkeit. Mit einer betont vagen Geste sagte er: »Ach, Archiv,glaube ich. Man hat ihn zu uns versetzt, um jemandem weiter oben einen Gefallen zu tun.«
    An diesem Satz war so viel Beängstigendes, dass ich es nicht wagte, irgendwas zu sagen.
    »Das war ohnehin das Thema, über das ich mit Ihnen reden wollte«, fuhr der Mull fort.
    »Was?«
    »Der Neue. Sammariels Trainee. Ich möchte, dass Sie ein Auge auf ihn haben.«
    Das war noch bizarrer. Warum sollte sich irgendwer, geschweige denn ein Erzengel, für einen Grünschnabel wie Clarence interessieren? »Ist das nicht eher Sams Job, Boss? Wo er ihn doch ausbildet?«
    Wieder die vage Geste. »Doch, sicher. Aber Sammariel bekommt nicht so viel mit wie Sie. Deshalb bitte ich Sie darum. Sie haben den Blick.«
    Normalerweise ginge es einem ja runter wie Honig, wenn ein Vorgesetzter so was über einen sagt, und im Himmel, sollte man meinen, müsste es einen erst recht freuen, aber trotz der in mich hineingepumpten Glückseligkeit war ich alles andere als entzückt.
    »Natürlich«, sagte ich, da ich ja nicht blöd bin und es auch nie war, weder vor noch nach meinem vielbetrauerten Hinscheiden. Ich hoffe jedenfalls, dass es vielbetrauert war, erinnern kann ich mich nicht.
    Das schien wirklich alles zu sein, was der Mull von mir gewollt hatte, und das machte das Ganze noch seltsamer – er hatte es eigentlich nicht so mit Small-Talk, und wenn er je welchen machte, dann immer auf diese gezwungene Art, sodass es einem nur das Gefühl gab, ihn von Wichtigerem abzuhalten. Ehrlich gesagt mochte ich diesen Typen, soweit man jemanden mögen kann, den man nicht versteht. Und irgendwie hatte ich immerdas Gefühl, dass er mich auch mochte oder wenigstens tolerierte, was ich von den meisten anderen Erzengeln, denen ich je begegnet bin, nicht behaupten kann. Aber Boss ist Boss, und wo ich schon mal im Haus war, ließ er mich gleich noch ein paar Berichte machen, die ich vor mir hergeschoben hatte, obwohl ich sie schon vor Tagen Alice hätte geben sollen, unserer Sekretärin drunten auf der Erde (auch ein Engel, soweit ich weiß, wenn sie auch von ihrer ganzen Art her durchaus ein rehabilitierter Dämon sein könnte). Wenn der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist, pflegte ein Freund von mir zu sagen, ist der Weg in den Himmel mit Stuss und Papierkram gepflastert.
    Wer war dieser Haraheliel? Wer hatte da Knöpfchen gedrückt, um unserem Clarence den Sprung aus dem Archiv ins operative Geschäft zu ermöglichen – und warum? Wusste Clarence über irgendwas dort zu viel? Oder sollte er als jemandes Spitzel in der Fürsprache-Abteilung fungieren? Wessen Augenmerk hatten wir auf uns gezogen? Und warum hatte man einen so offensichtlichen Außenseiter gewählt?
    Wow, höre ich Sie sagen, Spitzel im Himmel? Sie verdächtigen Ihre Engel-Bosse hinterhältiger Machenschaften? Das ist aber gar keine gute Arbeitshaltung, Bobby Dollar . Tja, hören Sie mir einfach noch ein Weilchen zu, ehe Sie sich eine Meinung bilden. Mehr verlange ich ja gar nicht. Ich habe schon öfter recht behalten, als die Bobby-Dollar-Hasser zugeben wollen.
    Ich hatte noch ein bisschen Zeit, bis ich zurück musste – mein Erdenkörper war in meinem Apartment in Jude immer noch damit beschäftigt, seine sieben Stunden Schlaf zu bekommen –, also spazierte ich vom Nordamerika-Komplex die ansteigende Avenue der Kontemplation hinauf, vorbei an den Villen der Seligen. Wie gesagt, eins der merkwürdigen Dinge im Himmel ist, dass es keine Karten oder Pläne gibt. Wenn man irgendwohin will, wo man nicht speziell eingeladen ist oder ohnehin freien Zugang hat, wird man sein Ziel nicht finden, obwohl man auftausend andere wunderschöne Orte stößt. Man könnte zehn Jahre lang dahinwandern oder -schweben oder was man auch tut, um sich fortzubewegen (ich weiß es noch immer nicht genau, weil es mir einfach entgleitet, sobald ich wieder hier bin). Alles ohne je an den Ort zu kommen, den man sucht, aber ich wollte ja, wie gesagt, nirgends hin, ich flanierte einfach nur. Eine Zeitlang betrachtete ich den Sternenbrunnen und dachte große, aber formlose Gedanken. Ich ging auch, obwohl ich es gar nicht vorgehabt hatte, hinaus auf die Pilgerbrücke,

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