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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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blieb mitten auf dem Brückenbogen stehen und blickte hinab auf die riesige Stadt und die funkelnden Ströme ihrer Bewohner, Tausende und Abertausende, ja Millionen Seelen, jede davon ganz der Ordnung und der Liebe verschrieben, jede glücklich und zufrieden mit ihrem Platz innerhalb des großen Plans. Hinter ihnen allen, auf dem höchsten der himmlischen Hügel, lag ein Glühen wie vom herrlichsten aller Sonnenaufgänge – das Empyreum, Sitz des Höchsten. Aber da ich nun mal bin, wie ich bin, konnte ich diesen herrlichen Ort, den Mittelpunkt des Kosmos, nicht mal von fern sehen, ohne mich zu fragen, warum er für uns übrige nicht zugänglich war.
    Warum hat Gott mich so rastlos gemacht, so schwierig? Ich habe es nie verstanden, aber er muss gewollt haben, dass ich so werde, denn er hat mir von alldem genug für zwei gegeben.
    Als ich in meinem Erdenkörper erwachte, fühlte er sich wie immer in dieser Situation ein bisschen fremd an, wie eine alte Lieblingsjeans, die jemand gewaschen und gebügelt hat. Ich stellte etwas Kaffee in die Mikrowelle – seltsam, wie stinknormal mein Körper in seinen Bedürfnissen und Obsessionen ist – und trat, während ich auf das Piepsen wartete, vor den Spiegel.
    Immer noch dasselbe Gesicht. Hatte es jetzt schon fünf, sechs Jahre. Es unterschied sich auch nicht sonderlich von den zwei, drei Gesichtern, die ich vorher gehabt hatte: Nur ein Expertehätte bemerkt, dass ich mich verändert hatte. Körper auch noch derselbe: mittelgroß, mittelschwer, vielleicht ein bisschen drahtiger und sportlicher als der Durchschnittstyp. Der Mann da im Spiegel hatte dunkles Haar, das mal geschnitten gehörte, ein (ganz leicht mediterranes) Gesicht, das einer Rasur bedurfte, und einen Mund, der traurig und künstlerisch-sensibel hätte sein können, wäre da nicht das Lächeln gewesen, das, wenn es sich auch nicht oft zeigt, angeblich ein bisschen alarmierend sein kann. Ich fragte mich wie so oft, ob ich so im Leben ausgesehen hatte. Wenn ja, ist eine Verwechslung mit mir ziemlich unwahrscheinlich, wenn Sie verstehen, was ich meine, aber es wäre ja wohl ein sehr unwahrscheinlicher Zufall, dass ich auf der Erde irgendwem über den Weg laufe, der mein altes Selbst gekannt hat. Ich könnte ja im siebzehnten Jahrhundert gelebt haben, was weiß ich denn? Mit einer gepuderten Perücke und einer Schnupftabakdose. Oder ich könnte ein chinesischer Bauer gewesen sein. Oder sogar eine Frau. Irgendwer. Warum haben sie mir das genommen? Warum behandelt der Himmel Seelen wie alte Videobänder, löscht die kostbaren Erinnerungen an eine Schulabschlussfeier oder eine Hochzeit, nur um sie mit einer Seinfeld-Episode zu überspielen? Nicht, dass ich was gegen Seinfeld hätte, aber wenn wir uns nicht dran erinnern dürfen, was wir mit unserem Leben gemacht haben – selbst wenn das für die meisten von uns ätzend wäre –, warum mussten wir das Ganze dann überhaupt durchlaufen?
    Das waren meine Spiegelgedanken. So ziemlich die üblichen.
    Zynisch , höre ich Sie sagen. Kein Vertrauen. Schlechter Engel!
    Aber wie gesagt, Gott muss mich so gewollt haben – oder es interessiert ihn einen Scheiß. Bislang bewahre ich mir noch die Hoffnung.
    An diesem Nachmittag dekorierten sie den Beeger Square für die finale Offensive des Karnevals, der an diesem Wochenendebegann. San Judas liebt seinen Karneval. Zwischen den Laternenpfählen waren Glitzergirlanden gespannt und große, furchterregende Masken aufgehängt, und die Stadt hatte in einer Ecke des Platzes eine Bühne aufgebaut, zum Glück in der Ecke diagonal gegenüber vom Alhambra-Building, wo wir immer herumhängen. Die Leute im Compasses können es gar nicht leiden, von Amateuren »unterhalten« zu werden.
    Die Bar heißt deswegen Compasses , weil vor etwa hundert Jahren, ehe das Alhambra in den ersten Wolkenkratzer von San Judas verwandelt wurde, unsere jetzige Oase ein Raum im vierten Stock des alten Filmpalastes war, der die Freimaurerloge beherbergte. Überm Eingang war immer noch eine Steintafel mit Winkel und Zirkel, den Symbolen des Ordens.
    »Aber für den rechten Winkel sind wir alle viel zu schräg«, erklärte Sam mit Vorliebe. »Also für uns nur den Zirkel.« Und so bekam das Lokal seinen Namen: Compasses – Zirkel.
    Drinnen war wenig los. An Stammgästen sah ich nur Sweetheart und Monica Naber, die an der Bar auf dem Großbildschirm CNN guckten, während Chico, der Barmann, Gläser polierte und wie immer so viel menschliche Wärme verstrahlte wie

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