Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
es diese Taxifahrt nicht gratis gibt, Dollar?« Die Gräfin von Coldhands hatte eine extrem ruhige Schusshand, nicht das leiseste Zittern. »Entweder Sie sagen mir alles, was Sie wissen und zu wissen glauben, oder man wird morgen früh im Redwood River eine Leiche finden, die aussieht wie Ihre.«
Es streitet sich schwer, wenn man die Mündung einer Automatik zwischen den Augenbrauen spürt. »Sie haben mein Engelehrenwort.«
»Wunderbar«, sagte sie, vielleicht eine Spur sarkastisch. »Steigen Sie ein.« Sie nahm die Waffe von meiner Stirn, hielt sie aber weiter auf mich gerichtet – eine große Czech 9 mm, die aussah wie versilbert. Es war wohl Platin oder Chrom, aber sehr chic!
Sie sah missbilligend zu, wie ich meinen nassen Köper aufdem Ledersitz plazierte, und zog dann den mächtigen Wagen hinaus auf den Veterans. »Sie riechen nach Teichschmodder und Entenkacke, Dollar. Scheint so, als hätten Sie gründlich untertauchen müssen.«
»Ha-ha.« Mein lässiger Ton wurde durch mein heftiges Schnattern ein wenig unterlaufen. »Könnten Sie die Heizung höherstellen?«
»Ihnen kann es wohl nicht heiß genug hergehen«, sagte sie, stellte die Heizung aber trotzdem ein, zwei Stufen höher, während sie sich durch den Verkehr fädelte, die glänzende CZ-Automatik jetzt zwischen den Oberschenkeln. »Und wenn Sie mir erzählt haben, was ich wissen will, wohin soll ich Sie dann bringen?«
»Im Moment wäre selbst die Hölle eine nette Abwechslung.«
Sie runzelte die Stirn. »Sie ahnen ja gar nicht, was für ein schlechter Witz das ist.«
21
MESSERKAMPF
IN EINEM HAREM
I ch kenne nicht viele weibliche Wesen – weder Menschennoch Engelfrauen –, die richtig gern Auto fahren. Meiner Erfahrung nach gehen Frauen die Fahrerei pragmatischer an als wir. Für die meisten Männer ist das Auto eine Art Erweiterung ihrer Männlichkeit; bei ihnen laufen die ganze Zeit kleine Phantasieszenarien ab: Rennen, Verfolgungsjagden und dramatische Zweikämpfe mit anderen Fahrern. Dagegen sehen Frauen das Fahren offenbar eher als ein Mittel, um irgendwohin zu kommen. Verrückt, ich weiß.
Als wir uns in hohem Tempo vom Schauplatz meines jüngsten Ghallu-Abenteuers entfernten, bemerkte ich daher mit Interesse, dass die Gräfin von Coldhands in dieser Hinsicht keine normale Frau war. Sie fuhr aggressiv und schnell, aber zugleich mit selbstbewusster Lässigkeit. Und sie fuhr die meiste Zeit einhändig, was aber auch daran liegen konnte, dass sich in ihrer linken Hand die nicht gerade zierliche CZ-75-Automatik befand: Sie ruhte zwar auf ihrem Oberschenkel, war aber stets auf mich gerichtet.
»Warum hatten Sie überhaupt einen Fahrer? Das Fahren scheint Ihnen doch richtig Spaß zu machen.«
»Sie meinen Cinnamon? Meistens habe ich Besseres zu tun, als zu fahren. Aber wie ich schon sagte, die Situation hat sichgeändert – ich musste etwas downsizen.« Sie setzte die Limousine passgenau zwischen zwei Lastwagen und zog dann fließend auf die Ausfahrtspur hinüber. Wir waren bisher auf dem Bayshore gewesen, doch als wir jetzt abfuhren und die University Avenue nach Westen nahmen, begann mein Dollar-Sinn zu kribbeln. (Nein, so was habe ich nicht wirklich – kennen Sie denn keine Comics?) Kurz dachte ich, wir führen zum Walkerschen Haus, dem Heim der zugedröhnten Posie und ihres dämlichen Boyfriends, und gleich würde sich herausstellen, dass ich ein noch größerer Trottel war, als ich dachte – dass die Gräfin mich aus irgendeinem Grund, den ich nicht kannte, von Anfang an in eine fiese Falle gelockt hatte. Aber warum bräuchte sie dafür einen speziellen Grund? Wir standen doch auf verschiedenen Seiten, oder nicht? Wir waren Blutsfeinde.
Als ich gerade meine Flucht (oder meinen Gegenangriff, wenn das mannhafter klingt) zu planen begann, bog sie scharf rechts ab, in das hellerleuchtete, aber heruntergekommene kleine Viertel, das unter dem Namen Whisky Gulch bekannt ist, eine Oase gleich außerhalb der juristischen Reichweite des Stanfordschen Alkoholbanns. Whisky Gulch war in den Fünfzigerjahren die Hochburg der lokalen Jazz-Szene gewesen und in den Siebzigerjahren dank einiger Diskotheken für eine Weile wiederaufgelebt, aber danach war es mit dem Nachtleben hier bergab gegangen. Doch einige Clubs wie etwa das Glo-Worm existierten schon seit der Großen Depression, und kaum einer war nicht irgendwann im Lauf der Jahre Kulisse der Erschießung oder Verhaftung irgendeines bedeutenden Bürgers von San Judas gewesen. Es war eine
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