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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Ende der Treppe auf – ich konnte nicht umhin zu bemerken, dass es eine extrem massive Tür war, wie der Zugang zu einem öffentlichen Luftschutzbunker – und führte mich dann in einen Raum voller Überraschungen.
    Überraschung Nummer eins: Als sie den Schalter betätigte und überall Licht aufglomm, ein halbes Regenbogenspektrum von gedämpften Rot-, Gelb- und Orangetönen, konnte ich keinerlei Fenster entdecken, als ob wir uns in einer unterirdischen Behausung befänden, was definitiv nicht der Fall war. Und die zweite Überraschung: So wie die Gräfin redete und sich kleidete, hätte ich etwas streng Modernes erwartet oder allenfalls ein informelles Bohème-Ambiente, doch ihr kleines Refugium wirkte wie ein Harem aus Tausend und eine Nacht oder eine Kulisse für die Entführung aus dem Serail . Die Wände waren mit fließendem, gazedünnem Stoff verhängt; Lämpchen dahinter glühten sanft wie natürliche Lichterscheinungen. In einer Ecke stand ein riesiger bronzegerahmter Spiegel, dekoriert mit Ketten von etwas, das wie eine sehr teure Version von Karnevalsperlen aussah, und gegenüber stand ein von Vorhängen umrahmtes Bett. Die dünnen roten Bettvorhänge waren zugezogen und mehrlagig, sodass ich das Bett selbst nicht sehen konnte, aber schon seine bloße Anwesenheit lud die Luft im Raum erotisch auf.
    Böser Engel , schalt ich mich, blöder Engel. Lockfallen des Feindes, du weißt doch?
    Mir wurde bewusst, dass ich das Bett anstarrte. Statt diese Wirkung, die es selbst auf einen schlachtenerprobten Gegner hatte, zu genießen, schien meine Gastgeberin irritiert und vielleicht sogar ein bisschen verlegen.
    »Hübsch hier«, sagte ich. »Wer war Ihr Innenarchitekt, Cecil B. DeMille?«
    »Es gefällt mir nun mal.« Sie klang ärgerlich. »Wenn Sie duschen wollen, das Bad ist da.« Sie zeigte auf eine halbverhängte Tür und setzte sich dann in einen antiken Sessel vor einem ebenso antiken Schreibtisch; das Einzige, was das Bild störte, waren der aufgeklappte Laptop auf der Tischplatte und die Kabel, die sich unter dem Möbel hervorschlängelten. »Im Schrank müssten Sie Sachen finden, die Ihnen passen. Nehmen Sie sich, was Sie wollen.« Sie konzentrierte sich auf das Laptopdisplay, als ob ich gar nicht mehr da wäre.
    Diese Frau war mir ein komplettes Rätsel.
    Nein , rief ich mich zur Ordnung. Nicht Frau. Vielleicht früher mal, aber schon lange nicht mehr. Sie ist ein Mitglied der Herrscherkaste der Hölle, ein Dämon, der nur auf Zerstörung und die Pervertierung alles Guten sinnt, und wenn sie dir hilft, dann allein deshalb, weil es ihr in den Kram passt. Trau ihr nicht, egal, was sie sagt oder tut .
    Trotzdem war ich, als ich aus der gekachelten Dusche mit dem herrlich heißen Wasser trat und in dem luxuriösen begehbaren Kleiderschrank zu stöbern begann, gar nicht erbaut über die lange Reihe von Kleiderbügeln mit Khaki- und Tuchhosen, teuren maßgeschneiderten Sportsakkos, weißen Stehkragenhemden und Polohemden im gesamten Farbspektrum eines blühenden Regenwalds. Alles in mir krampfte sich zusammen, weil ich kürzlich erst jemanden mit dieser Art von exklusiv-lässigem Geschmack getroffen hatte. Einen gewissen Großfürsten der Höllenämlich. Ich checkte das Monogramm auf der Innentasche eines Jacketts. Wie ich schon geargwöhnt hatte: KV – Kenneth Vald.
    Ich nahm mir, was mir am wenigsten zuwider war – schwarze Hosen und ein weißes Hemd –, und ging damit ins Zimmer. »Hübsche Klamottenkollektion. Wessen?«
    »Geht Sie nichts an, Dollar.«
    »Sind Sie sicher? Vielleicht kenne ich denjenigen ja.«
    »Ich stelle hier die Fragen, klar? Es sei denn, Sie möchten jetzt auf der Stelle gehen, aber um diese Zeit ist das da draußen keine so tolle Gegend, schon gar nicht für einen Mann, den so viele Leute suchen und der zu Fuß unterwegs ist.«
    Schlagendes Argument. Ich ließ mich in einen Sessel unweit ihres Schreibtischs fallen und tröstete mich damit, die Zehen in den hochflorigen Teppichboden zu graben und mir zu sagen, wie viel besser das hier war, als in einem kalten Fluss zu stehen und durch einen nach Tonic schmeckenden Schlauch zu atmen. »Okay, Gräfin, ich bin Ihnen eindeutig etwas schuldig. Was möchten Sie wissen?«
    »Alles.« Sie fixierte mich mit diesen blassblauen Augen; ich musste daran denken, wie ihre Augen bei unserer ersten Begegnung gewesen waren: so rot wie das Schaufenster einer Amsterdamer Hure. »Erzählen Sie mir, was war, seit Sie in diese Sache hineingeraten

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