Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
sich vielleicht erinnern) über die Ereignisse der letzten Nacht in Downtown. Ich sagte, ich würde hingehen (was ernst gemeint war – so jemanden versetzt man nicht) und bat sie dann, die nächsten vierundzwanzig Stunden meine Klienten einem anderen Anwalt zuzuteilen, damit ich mich erholen könne. Ich legte auf, bevor noch irgendwas anderes aufs Tapet kam.
Caz schien wieder eingeschlafen zu sein, doch als ich neben sie schlüpfte, sagte sie: »Du musst gehen, stimmt’s?«
»Demnächst, ja, sollte ich wohl.« Ich blickte auf das glänzende Oval an dem Kettchen um ihren Hals, berührte es dann behutsam. »Ist es das hier? Das Medaillon, das dir dein Mann geschenkt hat?«
Sie schlug die Augen auf. »Ja. Es ist alles, was mir von der kleinen Anna, meinem Dienstmädchen, geblieben ist. Sie war erst elf, als das Schwein sie getötet hat.«
»Es sieht aus wie Silber.«
»Ist es auch.«
»Aber brennt das nicht? Ich dachte, Silber …«
Sie griff an das Medaillon und zog es ein wenig zur Seite.Wo es gehangen hatte, verunstaltete ein feuerrotes Mal Caz’ weiße Haut. Vor meinen Augen begann es zu verblassen.
»Ob es brennt?«, sagte sie. »Jede Sekunde jedes einzelnen Tages. Das hilft mir, daran zu denken.« Die Art, wie sie das sagte, machte mich schaudern. Als sie weitersprach, war ihre Stimme weicher. »Musst du jetzt gleich gehen, Bobby? Oder haben wir noch ein bisschen Zeit …?«
Ich wollte ja – Gott, wie ich wollte! –, aber immer der Reihe nach: Beim Telefonieren hatte ich einen Entschluss gefasst. Es machte mir Angst, aber ich würde es tun. »Hör mal, ich möchte dich ein paar Sachen fragen.«
»Bitte.« Sie langte an mir hinab und begann mit meiner Hochzeitsausstattung, wie Leo sich auszudrücken pflegte, zu spielen. Höchst ablenkend.
»Geht nicht, wenn du das da tust. Ich kann mich nicht konzentrieren. Komm, lass – autsch! « Sie hatte gemein scharfe Fingernägel. »Ungezogenes Mädchen!«
»Was du nicht sagst.«
»Hör zu, ich werde jetzt erst mal etwas tun, was wahrscheinlich ganz und gar dumm ist. Ich werde dir die Wahrheit sagen.«
Plötzlich stellte sie jede Aktivität ein. »Echt?«
»Ja, echt. Also. Ich hatte keine Ahnung, was du Eligor gestohlen hast. Das hab ich dir ja gesagt. Und das war die Wahrheit. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass ich es immer noch nicht weiß. Ich habe herausgefunden, dass es eine goldene Feder war – wie ist egal –, aber ich habe keinen Schimmer, was das heißt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein hohes Tier der Hölle wegen eines bloßen Schmuckstücks so aufregt – Eligor kann sich doch wohl so viel Gold kaufen, wie er will. Es muss doch mehr sein.«
Sie lag auf der Seite und sah mich an. Ihre Hand glitt an ihren Hals, als wollte sie ihre Kehle schützen. »Red weiter.«
»Was also ist es? Ich hab keine Lust mehr zu bluffen, Caz.Du warst bisher, soweit ich es beurteilen kann, offen zu mir. Ich tappe jetzt lange genug im Dunkeln. Worum geht es wirklich? Warum dieses ganze Theater wegen einer Feder?«
Sie stützte sich auf den Ellbogen hoch. Die Decke glitt von ihrem Oberkörper wie vom Strand ablaufende Wellen. Selbst wenn es Illusion war – sie war so schön, dass ich nur mit Mühe den Drang unterdrücken konnte, sie zu umarmen und an mich zu ziehen.
»Du hast recht, Bobby«, sagte sie langsam, die Hand immer noch am Hals. »Gold und Juwelen bedeuten nicht viel für … unsereins. In seltenen Fällen kann so ein Stück emotionalen Wert besitzen.« Sie nahm die Hand weg, entblößte das Medaillon. »So wie das hier für mich. Silber für ein paar Dollar, aber ich trage es schon fünfhundert Jahre. Würde ich einen Ghallu heraufbeschwören, um es wiederzukriegen? Ich weiß nicht – ich weiß nicht, ob ich dazu stark genug bin –, aber in Erwägung ziehen würde ich es, das kannst du mir glauben.«
»Eligor scheint mir nicht der sentimentale Typ.«
»Ich will ja nur sagen, dass es andere Gründe gibt, etwas als kostbar zu betrachten.«
»Dann hat die Feder also für Eligor eine besondere Bedeutung?«
»Für jeden, der weiß, worum es sich handelt – eigentlich für jeden, der sie sieht. Ihre Bedeutung ist schwer zu verkennen, wenn man sie vor sich hat.«
»Ich kann dir nicht folgen, Caz.«
»Dann bist du ein bisschen schwer von Begriff, Bobby. Woher stammt eine Feder?«
»Von einem Vogel.«
»Zu speziell. Simpler. Woher stammt eine Feder?«
Ich dachte kurz nach, atmete dann tief ein, als mir ein Licht aufging. »Von einem
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