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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Versehen in der Hölle gelandet? Ich versichere dir, Bobby, ich habe jede Sekunde meiner Verdammnis verdient.«
    »Du brauchst nicht drüber zu reden, wenn du nicht willst. Aber wenn du möchtest … ich höre dir zu.«
    »Da gibt’s nicht viel zu sagen. Das ist lange her. Er war ein bedeutender Mann, der Hrabia – der Graf, würden wir sagen. Er hieß Pawel, und seiner Familie gehörte ungeheuer viel Land rund um Lublin.«
    »Polen.« Jetzt verstand ich endlich, warum da der leise mitteleuropäische Klang unter der britischen Schulmädchendiktion war. »Wann war das?«
    »Willst du das wirklich wissen?« Sie lächelte, aber es war ein bitteres Lächeln. »Ich hoffe, du magst ältere Frauen. Viel ältere. Ich sag es mal so – die Renaissance, ist dir das ein Begriff? Okay, es war noch davor.«
    Ich sagte nichts. Etwas zog herauf, so mächtig und unaufhaltsam wie ein Sturm, aber ich hatte bereits beschlossen, mich zu ducken und es über mich hinwegbrausen zu lassen.
    »Sie gaben mich ihm zur Frau«, sagte sie. »So machte man das damals. Ich war gerade mal fünfzehn – praktisch eine alte Jungfer!« Sie lachte. Es zu hören tat weh. »Und Graf Pawel war die perfekte Verkörperung seiner Rolle. Er war groß, gutaussehend, ein tapferer Soldat und strenger Herrscher. Und er war innerlich abnorm, verdreht und verbogen und kaputt.« Sie schauderte. »Er ist es immer noch. Selbst in der Hölle gilt er als gefährlich.«
    »Du musst … ihn dort sehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben schon lange nichts mehr miteinander zu tun. Er ist jetzt, wo er die Toten schikanieren kann, glücklicher, als er es auf der Erde je war. Aber als wir beide noch lebten, war ich eine Zeitlang sein Lieblingsspielzeug …«
    »Du musst nicht …«
    Sie hob die Hand. »Ich will aber. Du … du verdienst es, die Wahrheit zu erfahren. Aber komm her und setz dich zu mir. Es wäre schön, jemanden nah bei mir zu haben.«
    Ich setzte mich neben sie und nahm ihre Hand. Ich spürte, dass sie nicht angesehen werden wollte, also lehnte ich mich zurück und schaute an die Decke und auf die Draperien, die sich sachte im leisen Luftstrom der Klimaanlage bewegten.
    »Er war ein Monster. Manche Monster werden als solche erkannt, aber von anderen wissen nur ihre Opfer. Er gehörte zu den letzteren – den cleveren, unauffälligen Monstern. Er tötete nie jemand Mächtigen, quälte nie jemanden, der sich hätte wehren können – obwohl er als hoher Adliger natürlich eine breite Auswahl an Opfern hatte.
    Mit mir war es etwas anderes. Ja, er vergewaltigte mich immer wieder, aber das war damals nicht ungewöhnlich. Ich war seine Frau – ich gehörte ihm. Ein bisschen Widersetzlichkeit, das schon an Panik grenzte, verlieh der Sache für ihn nur noch mehr Würze, und je größer meine Panik wurde, desto mehr Spaß machte es ihm. Er ließ sich immer neue Sachen einfallen, um mir Angst zu machen und mir wehzutun. Und er fügte vor meinen Augen anderen Schmerzen zu, vor allem Frauen … und Mädchen. Die Dienerinnen waren für ihn wie Möbelstücke – nein, wie Tiere. Auf jeden Fall waren sie sein Eigentum, und im Gegensatz zu Elisabeth Báthory oder Gilles de Rais war er bei seinen Verbrechen so vorsichtig, dass niemand es je für nötig befand, ihm Einhalt zu gebieten.
    Und als ob Gott mich noch nicht genug gestraft hätte, mussteich auch noch seine Mutter Justyna ertragen, die Gräfinwitwe, eine alte Hexe, die zwar nie jemanden tötete, aber auf ihre Art genauso eiskalt und grausam war wie ihr Sohn. Ja, noch schlimmer, weil sie sich auf die subtilen Formen der Grausamkeit verstand, die nur Frauen beherrschen. Und die praktizierte sie mit Vergnügen. Meine Familie war nur aus dem niedrigen Adel, und sie fand mich nie gut genug für ihren Pawel.
    Ich gebar dem Monster und seinem Drachen von Mutter zwei Stammhalter, und ich lebte jeden Tag in schrecklicher Angst. Wenn jemand von den Bediensteten mir gegenüber irgendetwas Mitfühlendes oder Freundliches tat, das über die reine Pflichterfüllung hinausging, wurde das von Pawel oder seiner Mutter hart bestraft. Justyna nahm mir meine Jungen praktisch weg und erzog sie selbst, damit sie einzig und allein Pawels Söhne wären und nicht meine …« Sie schwieg einen Moment, holte dann tief Luft und sprach weiter.
    »Und eines Nachts schließlich war es endgültig zu viel. Ich will dir die Details ersparen, aber mein Mann hatte ein kleines Dienstmädchen getötet, das ich gern gehabt hatte, und an diesem Tag

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