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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Pyjamahose. Seine Haut war fuchsienrot, das klassische Symptom einer Kohlenmonoxidvergiftung.
    Es sah stark nach Selbstmord aus.
    Ich verlangte einen Übergang bzw. Reißverschluss und trat hindurch. Alles schien sich um eine Winzigkeit zu verändern – der Einfallswinkel der Sonne, die Art des Lichts –, und die Polizisten und Sanitäter erstarrten alle auf einen Schlag wie bei einem dieser Kinderspiele. Ich ging zu dem Wagen, um einen Blick aufs Gesicht des Verstorbenen zu werfen. Er kam mir irgendwie bekannt vor. Vielleicht war ich ihm mal begegnet oder hatte sein Foto in der Zeitung gesehen. Ich wandte mich ab und erblickte neben mir ein schwebendes Glimmen – der Schutzengel des dahingegangenen Mr. Monoxid.
    »Doloriel«, stellte ich mich vor.
    »Yurath«, sagte das Glimmen.
    »Wer ist er?«
    »Erkennen Sie ihn denn nicht?« Yurath schien ein bisschen nervös, hüpfte wie ein Glühwürmchen in starkem Wind. Na ja, sein jahrzehntelanger Job war jetzt gleich zu Ende. Vielleicht hatte Yurath den Mann ja gemocht. Das kommt vor. »Edward Lynes Walker. Gründer diverser Firmen, darunter eine der größtenNordkaliforniens. Philanthrop. Engagierter Bürger. Sie haben sogar einen Satelliten nach ihm benannt.«
    »Leider ist er deshalb nicht weniger tot«, sagte ich. »Okay, er war also allgemein beliebt. Irgendwelche Gründe, warum das hier kein sicherer Sieg für uns sein sollte? Außer, dass es Suizid war, meine ich.« Die Regeln in Sachen Selbstmord haben sich etwas gelockert. Wenn Yurath mir auch nur Hinweise auf irgendeine schmerzhafte Krankheit oder ein psychisches Trauma liefern konnte, würde die Art und Weise, wie Walker abgetreten war, unserer Sache nicht allzu sehr schaden.
    »Mindestens einen Grund kann ich Ihnen nennen«, sagte der Schutzengel. »Drehen Sie sich mal um.«
    Ich fühlte ihn schon, drehte mich aber trotzdem um und mimte Überraschung. »Ankläger Grasswax. Liebe Güte, das ist ja meine Glückswoche! Zwei Tage in Folge! Und Mr. Howlingfell – oh, Sie haben da ja böse Quetschmale am Hals.«
    Howlingfell ballte nur die Fäuste und schaute weg, aber Grasswax zeigte mir seine sämtlichen Zähne, was eine Weile dauerte. »Doloriel. Sie und Ihre Freunde haben ja gestern sicher noch lange Ihren Triumph gefeiert.«
    »Nein. Ich bin bald gegangen und habe dann noch alte Freunde besucht. Nicht, dass es Sie was anginge.«
    Grasswax beugte sich vor. Selbst im Außerhalb, wo es keine Luft im normalen Sinn gibt, war sein Atem, als wehten einem die Gerüche eines Schlachthofs entgegen. »Sie belieben zu scherzen, Doloriel – oder besser, Bobby Dollar, so nennt man Sie doch im … wie war das doch gleich … Compasses ?« Wie schaffte es dieser Höllensohn, eine ganz normale Bar so abgrundtief verachtenswert klingen zu lassen? »Es muss Sie doch sehr amüsiert haben, dass Ihr kleiner Blindgänger von Lehrling mich vor einem Fürstentum blamiert hat.«
    Jeder andere dermaßen widerwärtige Kerl, der mir so dicht auf den Leib gerückt wäre, hätte eins aufs Maul gekriegt, abereinem offiziellen Ankläger der Hölle haut man nicht einfach eine rein. Die Balance zwischen beiden Seiten zu erhalten, ist eine hochdiffizile Sache, und die Regeln unseres Jobs stellen nur zu klar, dass mangelnde Selbstbeherrschung nichts anderes ist als Abtrünnigkeit, also gab ich mir alle Mühe, durch den Mund zu atmen. »Er ist nicht mein Lehrling, Grasswax, und ich hatte damit nichts zu tun. Gehen wir einfach den geschäftlichen Teil an. Ich habe mit Ihnen keine Zwistigkeiten.«
    Er bedachte mich mit einem langen Blick, von dem mir ernstlich die Haut juckte. »Wenn Sie meinen.«
    »Aber das ist ja das Problem!« Das war der kleine Yurath, der immer noch herumhüpfte, als ob er aufs Klo müsste – was ein Problem ist, das Schutzengel nicht haben. Seine Stimme war unangenehm schrill. »Wie denn? Es geht nicht!«
    Grasswax wischte sich die Finger am Revers seines magmafarbenen Jacketts ab, als hinterließe schon der verbale Kontakt mit einem so niederrangigen Engel etwas Widerwärtiges. »Wovon sprechen Sie?«
    »Wo ist er?«, quiekte Yurath. »Wo ist er hin?«
    »Was?« Grasswax musterte das Tableau aus reglosen Polizisten und Sanitätern. »Wer?«
    Die Erkenntnis traf mich wie eine Faust. »Der Verstorbene«, sagte ich. »Er spricht vom Verstorbenen. Walker ist nicht hier.«
    Und das stimmte. Die Rolltrage mit Walkers Leichnam war auf dem Weg zum Krankenwagen eingefroren, aber die Seele des Mannes – der bleibende,

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