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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Ich bin ja, wie Sie vielleicht schon mitgekriegt haben, Anwalt.
    Okay, bei einem Schutzengel pro lebendem Menschen sind das also schon mal sieben Milliarden Schutzengel gleichzeitig. Ich nehme an, wenn sie mit einem Menschenleben fertig sind, übernehmen sie ein neues, aber auch das ist nur Spekulation. Wir Anwaltsengel sind nicht ganz so viele. Sam, Monica, ich und die anderen machen je etwa fünf Todesfälle die Woche, ergibt also rund 250 pro Engel und Jahr. Bei jährlich ca. fünfzig Millionen Todesfällen weltweit wäre das Arbeit für etwa 200 000 Anwälte oder Verteidiger (unter der Annahme, dass in Timbuktu und Katmandu dasselbe System gilt, was keineswegs sicher ist). Auf jeweils zehn Anwälte kommen noch ein, zwei Unterstützungskräfte, aber von denen haben Sie bisher nur Chico (und die bereits erwähnte Alice) kennengelernt.
    Ich weiß, ich weiß, Zahlen interessieren Sie nicht so, abgesehen von den Ingenieuren unter Ihnen. Sie wollen wissen, wie das alles abläuft , stimmt’s?
    Wir erdbasierten Engel – Schutzengel, Fürsprecher oder Anwälte und selbst Spezialkräfte (fragen Sie nicht, weil ich darüber nichts sage) – sind Erzengeln unterstellt. Die Erzengel sind wiederum Fürstentümern unterstellt, die außerdem, wie Sie schon mitbekommen haben, über die einzelnen Seelen richten. Uns alle zusammen nennt man die Engel des Dritten Hauses, bei dem es sich um die Erde innerhalb der Zeit handelt.
    Es gibt noch mindestens zwei weitere Häuser oder Sphären mit jeweils drei Engelarten, aber wir sind hier nicht in der Sonntagsschule,also hebe ich mir das für ein andermal auf. Über all dem steht der Höchste. Ihm bin ich noch nie begegnet. Er hat ja wohl ziemlich viel zu tun: dafür zu sorgen, dass das Universum wie ein Uhrwerk funktioniert, ein Auge auf den Spatz zu halten und all das. Und wie ich wohl schon sagte: Ich bin auch noch nie jemandem begegnet, der ihm schon mal begegnet ist (oder aber die, die ihm schon begegnet sind, haben es nicht für erwähnenswert gehalten.)
    Wir Anwaltsengel müssen unter den Leuten leben, die wir einmal verteidigen werden, damit wir sie kennen und verstehen. Deshalb haben wir Körper. Es sind angeblich nicht unsere richtigen Körper – auch das weiß niemand mit Sicherheit, aber, wie gesagt, ich bin noch nie von einem Verwandten oder Bekannten erkannt worden und kenne auch niemanden, dem das passiert wäre. Jedenfalls, da wir Fürsprecher oder Anwälte (im Vergleich etwa zu den Schutzengeln oder den himmlischen Heerscharen) eine kleine Gruppe sind und auf der Erde leben und arbeiten, ist es mit uns ein bisschen wie mit den Leuten, die auf einen dieser entlegenen Außenposten in den Kolonien geschickt wurden: Nach einer gewissen Zeit könnten wir gar nicht mehr ins Mutterland zurückkehren, selbst wenn wir’s versuchen würden. Ich jedenfalls könnte garantiert nicht lange in der Himmlischen Stadt leben. Zu hell. Zu viele singende Leute. Und zu wenig geistige Getränke, was das einzig Geistige ist, das mir wirklich was bedeutet.
    Ein Nachteil ist, dass wir zu den wenigen Engeln gehören, die täglich mit der Gegenseite umgehen und sie wirklich kennenlernen müssen, und das ist etwa so unangenehm, wie man es sich vorstellt. Schon, weil die meisten Höllenleute den Kampf richtig ernst nehmen – sie sind wie Studentenvertretungsnerds mit Reißzähnen. Sie liegen schon seit Jahrtausenden mit dem Himmel im Krieg und sind entschlossen, uns eines Tages zu besiegen. Sie sind nicht so dumm, eine richtig große Schlacht zu provozieren– das könnte das Ende beider Seiten sein –, aber sie nagen ständig an den Fundamenten wie Karieserreger. In ihren Augen sind Leute wie Milton, die behaupten, dass sie uns nie schlagen können, nur Propaganda-Schreiberlinge, die für den Himmel agitieren, weil sie auf ein komfortables Plätzchen droben im Haus hoffen. Sie spielen ein Langzeitspiel, und sie spielen immer, um zu gewinnen . Es ist manchmal ganz schön ermüdend. Warum werden die Hasserfüllten nicht so schnell müde wie andere Leute? Wieder so eine Frage, von der man meinen sollte, dass das Leben nach dem Tod sie mir beantwortet hätte – aber nein.
    Es gibt aber auch ein paar Angehörige beider Seiten, die ganz aus dem Spiel ausgestiegen sind, Zwischenexistenzen und Renegaten. Die meisten von ihnen verkaufen Informationen, um zu überleben, weshalb in der Regel ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt ist. Wir Anwälte haben von Zeit zu Zeit mit ihnen zu tun. Manche mag ich sogar

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