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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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war eine kleine, zierliche Frau, aber mit einem Gang, der mehr als faszinierend war. Sie wissen doch, wie manche kleinen Hunde gehen – als ob sie sich selbst für große, starke Hunde halten. Die Gräfin, wer und was sie auch immer war, mochte sich ja kleiden wie ein Schulmädchen, aber sie ging wie eine überaus selbstbewusste Striptänzerin.
    Nein, mit mehr Klasse. Wie eine Primaballerina. Ja, genau, eine Ballerina aus der Hölle.
    »Verzeihung, Herr Minister. Ich war … in Gedanken.«
    »Ich hoffe, ich beanspruche nicht zu viel von Ihrer kostbaren Zeit, Doloriel.« Jetzt, von nahem, war nicht zu übersehen, dass der Minister auch nicht gerade der Normalo-Typ war. Zum einen hatte er im Unterschied zu den meisten höheren Engeln Augen, aber die waren ganz weiß, bis auf einen stecknadelkopfgroßen schwarzen Punkt in der Mitte, was im Verein mit der Maske schwer erkennbar machte, wo er hinschaute. Zum anderen hatte er an jeder weißbehandschuhten Hand mindestens sechs oder sieben Finger. Was hatte es damit nun wieder auf sich?
    »Ganz und gar nicht. Entschuldigung.« Ich drehte dem Ankläger und seinem weiblichen Boss den Rücken zu, um mich auf meinen Vorgesetzten konzentrieren zu können. Die schöne kleine Gräfin war ein Dämon, machte ich mir klar, und zwar ein mächtiger. Mitglieder des Höllenadels können jede beliebige Gestalt annehmen, und was sich unter diesem appetitlichen Äußeren verbarg, war mit Sicherheit extrem hässlich. Und wichtigernoch, die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass mich jeder Höllenbewohner in kleine Fetzchen reißen würde, wenn ich einen Moment unachtsam war. Ganz egal, wie sie aussahen, sie waren allesamt Monster. »Was kann ich für Sie tun, Minister?«
    »Wiederholen Sie noch einmal ganz genau, was ab dem Moment passiert ist, als Sie den Anruf erhielten« , befahl er.
    Unter seinem seltsam emotionslosen Blick erzählte ich noch einmal alles, woran ich mich erinnern konnte. Von Sam und seinem Azubi sagte ich nichts, aber ich erwähnte, dass ich Grasswax am Vortag in einer anderen Angelegenheit getroffen hatte.
    »Und Sie sind sicher, dass Sie vor dem Ankläger hier eingetroffen sind?« Der Schnabel seiner Maske reckte sich mir entgegen, als schnupperte er, ob ich die Wahrheit sagte. »Ganz sicher?«
    »Sie glauben doch nicht, dass Grasswax etwas so Irrsinniges tun würde?« Ich fragte mich, ob ich noch mal darauf zu sprechen kommen sollte, wie wütend sich der Ankläger wegen der verschwundenen Seele aufgeführt hatte. Hatte Grasswax ein schlechtes Gewissen? »Aber wie denn? Wie hätte er das denn anstellen sollen?«
    »Das wissen wir nicht.« Der Minister gab ein kleines indigniertes Schnauben von sich. »Aber wenn Sie sagen, er könnte es gar nicht bewerkstelligt haben, wird Ihre Rolle in der ganzen Angelegenheit noch bedeutsamer.«
    O nein. Ich würde mich nicht für etwas drankriegen lassen, was ich nicht getan hatte. »Ich sage nichts Derartiges, Herr Minister. Ich hatte mit alldem nichts zu tun. Ich war genauso überrascht wie Sie.«
    »Ach ja? Es dürfte Ihnen ja wohl nicht entgangen sein, dass wir nicht sonderlich überrascht sind.« Er schüttelte den Schnabelkopf und sah dabei mehr denn je wie der imaginäre Freund eines ziemlich unheimlichen Kindes aus. »Wir haben befürchtet, dass es dazu kommen könnte.«
    Ich hatte keine Ahnung, was er meinte, und sagte es auch.
    »Wir haben genug von Ihnen gehört, um unseren Bericht zu erstellen, Engel Doloriel«, war alles, was er sagte. »Sie können gehen. Gott liebt Sie.«
    Als ich endlich wieder zurück war, hatten sich die meisten Stammgäste im Compasses eingefunden, wenn auch von Sam und seinem Handlanger nichts zu sehen war. Ich hatte noch in Morton’s Café Station gemacht, um ein frühes Abendessen zu mir zu nehmen und zuzuschauen, wie die Schatten länger wurden, als die Sonne es aufgab, die dunkleren Winkel von San Judas erhellen zu wollen, und schließlich schlafen ging. Jetzt füllten die Lichter von Downtown und die riesige schwarze Leere des Hafens die Fenster.
    »Alles okay?«, fragte Monica, als sie mich sah. »Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.« Sie war inzwischen ein bisschen nüchterner, also sagte sie vielleicht die Wahrheit. »War die Seele dieses Mannes wirklich verschwunden ?«
    »Du hast schon davon gehört?«
    »Klar haben wir davon gehört. Ein Minister wurde hinbeordert, und das bleibt nie lange geheim. Alice vom Büro sagt, die ganze Stadt redet darüber!« Womit gemeint war, alles in der

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