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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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insgeheim.
    Alles in allem ist es ein bisschen wie einst der Kalte Krieg, wahnsinnig gefährlich, aber für die meisten Leute auf der Erde unsichtbar, und von uns allen wird erwartet, dass wir unseren Part in diesem Kampf übernehmen. Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass möglichst viele Seelen in den Himmel kommen, und wie mein Freund Sam bin auch ich darin ziemlich gut, was einer der Gründe dafür ist, dass mich meine Vorgesetzten, auch wenn sie meine Haltung auf die Palme bringt, im Großen und Ganzen in Ruhe lassen.
    Ein weiterer Grund ist, wie ich bald herausfinden sollte, dass auch die großen Jungs droben im Haus nicht alles wissen. Das war eine Lektion, auf die ich lieber verzichtet hätte.
    Da stand ich nun also in der Außerhalb-Version von Edward L. Walkers Einfahrt, während diverse Lakaien des Himmels und der Hölle sich nützlich machten oder zumindest so taten. Einigezogen glitzernde goldene Linien in der Luft oder konsultierten Instrumente aus schwarzem Glas. Andere sammelten Proben ein, die ich nicht mal sehen konnte, und steckten sie in schwebende Beutel oder Blasen, die organischer Bestandteil des wenig ansprechenden Körpers zu sein schienen, an dem sie hingen.
    Mittendrin stand Grasswax, bedachte mich mit einem enorm hasserfüllten Blick, pflückte dann aus der Luft ein klebrig wirkendes kleines Etwas, das ich für das Höllenpendant zu Walkers Schutzengel hielt, und ging damit zur Seite. Dort entspann sich zwischen ihm und dem Etwas ein angeregtes Gespräch, wobei »angeregt« heißt, dass Grasswax den Höllenhandlanger herumschüttelte, als versuchte er, Rotz von seinen Fingern zu schleudern, während das Etwas quiekend seine Unschuld beteuerte.
    »Er war hier, Herr, er war hier! War doch bei ihm gewesen, wie er gestorben ist!«
    »Wo ist er dann?« Grasswax starrte den Unterling an, bis der anfing zu dampfen wie eine Abalone auf einem heißen Stein.
    »Weiß nicht! Versteh nichts!«
    »Verdammter Versager. Jetzt muss ich Scorchscar anrufen.« Der Ankläger zog eine Handvoll Feuer hervor, hielt sie vor sein Gesicht und sagte: »Ankläger an Staatsanwaltschaft, stellen Sie mich sofort zur Untersuchungsabteilung durch.« Er funkelte mich grimmig an, und aus seinen Wangenschlitzen pulste es feucht. Das Merkwürdige war, dass Grasswax mehr Angst hatte, als er zugeben wollte, jedenfalls war das mein Eindruck. Wobei ich natürlich kein Experte in Höllenpsychologie bin. »Beim heißen, pickligen Arsch des Königs – jetzt sitze ich hier stundenlang fest!«, fauchte er mich an. »Das ist irgendwie alles Ihre Schuld, Sie mieser kleiner Wolkenjockey, und dafür werden Sie bezahlen. Versuchen Sie ja nicht, heimlich zu verduften.«
    Die liebreizende Stimme des Anklägers noch schmerzhaft in den Ohren, wandte ich mich ab: Ich musste selbst telefonieren.Nur weil dieses Haus im noblen Palo Alto so voll von leuchtenden Engelpräsenzen war, dass es aussah wie ein Weihnachtsdiorama, war noch lange nicht gesagt, dass jeder Bescheid wusste, der Bescheid wissen musste. Ich zog mein Handy heraus, das in seiner Außerhalb-Gestalt ein leuchtender Lichtstab war. Gleich darauf hatte ich Temuel vor mir, wenn ihn auch sonst niemand sehen oder hören konnte.
    »Das ist ein Scherz, oder?«, sagte er, als ich ihm die Situation geschildert hatte, aber der Mull klang nicht ganz so überrascht, wie ich erwartet hatte. »Nein? Dann schicke ich sofort einen Problembereiniger hin.« Allmählich drang das ganze Ausmaß der Katastrophe zu ihm durch. »Das ist schlimm, das ist sehr, sehr schlimm, Doloriel. Bleiben Sie dort und sagen Sie kein Wort zur Gegenseite.«
    »Nicht mal ›Pfoten weg von meinen Eiern‹? Ich kann Ihnen nämlich versichern, Grasswax versucht, sie mir zu zerquetschen.«
    »Machen Sie einfach Ihren Job.« Und das war’s. Er war weg. Aber wenn Temuel noch nichts von der verschwundenen Seele gewusst hatte, wie kamen dann all diese himmlischen Krisenkräfte hierher? Von den fiesen kleinen Handlangern der Gegenseite ganz zu schweigen? Ich schob die Frage erst mal beiseite, weil in dem Moment neben mir ein neuer, extraheller Reißverschluss aufleuchtete und der Problembereiniger des Mulls erschien.
    Noch eine kurze Zwischenbemerkung: »Problembereiniger« ist eher eine Art Jobbeschreibung. Die offizielle Bezeichnung ist »Minister«. Man sieht kaum je einen von ihnen. Man will auch gar keinen sehen. Ihr Job ist es wie gesagt, Probleme schleunigst zu »bereinigen«, und in so was möchte niemand verwickelt

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