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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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unsterbliche Teil des Edward Lynes Walker, dem unser Job galt – war nirgends zu sehen.
    Es gibt nicht viel Terrain im Außerhalb, das man absuchen kann, wenn man durch einen Reißverschluss getreten ist. Je weiter man sich vom Übergang entfernt, desto unwirklicher wird alles, bis da schließlich nur noch Grau ist. Trotzdem suchten wir gründlich, selbst Grasswax, aber die zeitlose Blase, in der wir uns befanden, enthielt eindeutig eine Seele zu wenig.
    »Himmelherrgott«, stieß ich mit allem emotionalen Nachdruck hervor, was den Schutzengel bestürzt flackern ließ. »Jesuschristus.« Das war noch nie passiert – mir nicht und meines Wissens auch sonst niemandem. Meine »Glückswoche« hatte sich in ein thermonukleares Desaster verwandelt.
    Auch Grasswax fluchte. Ich weiß nicht mehr genau, was er sagte, aber ich war auf jeden Fall beeindruckt – fluchen können sie in der Hölle. Wenn ich in dem Moment nicht so verdammt panisch gewesen wäre, hätte ich mir das eine oder andere notiert.

3
NICHT WIE IN DER
SONNTAGSSCHULE

    »… mieser, saublöder Trick …!«
    Ein gutaufgelegter Grasswax war unangenehm, ein wütender Grasswax aber um Klassen schlimmer. Jetzt beispielsweise schäumte er aus den Schlitzen seiner Wangen. »Sie bilden sich ein, mich in zwei Tagen zweimal demütigen zu können? Egal, wie weit ich nach oben gehen und an wie vielen Türen ich rütteln muss, Doloriel, hierfür will ich Sie bei lebendigem Leibe gehäutet sehen …!«
    Lass dich niemals durch einen Vertreter der Gegenseite zu Tätlichkeiten hinreißen , rief ich mir in Erinnerung, schon gar nicht durch einen Ankläger, der dich gezielt provoziert – so entstehen interhierarchische Zwischenfälle . Direkt aus dem Anwaltshandbuch. »Ich habe damit nichts zu tun, Grasswax. Wir sind gleichzeitig hier angekommen!«
    »Seelen verschwinden doch nicht einfach.«
    »Ich habe ja nicht gesagt, dass sie verschwunden ist. Ich habe nur gesagt, sie ist nicht hier. Wahrscheinlich einfach nur eine kleine Panne.«
    »Kleine Panne?« Der Ankläger schrie jetzt regelrecht. Roter Schaum flog durch die Gegend. »Pearl Harbor war eine kleine Panne – das hier ist ein Problem! «
    Natürlich hatte er recht. So etwas kommt nicht vor. Nie.»Okay, okay, Sie rufen Ihren Vorgesetzten an und ich meinen. Es wird sich schon klären lassen.«
    Doch noch ehe ich zu Ende gesprochen hatte, tauchten plötzlich von allen Seiten Engel und Dämonen aus dem Nichts auf: Es gingen mehr Reißverschlüsse auf als in der »Alles-Zum-Halben-Preis-Nacht« im Bunny-Ranch-Bordell. Es hatte eine schwerwiegende Sicherheitsverletzung gegeben, und jetzt erschienen die Einsatzkräfte. Das hier war nicht nur ein Problem, ging mir auf, es war eine ausgewachsene Krise, und ich steckte mittendrin.
    Ich nehme mir wohl besser einen Augenblick Zeit, um Ihnen dieses ganze Engelwesen ein bisschen zu erklären. Es ist nämlich nicht ganz so, wie Sie’s in der Sonntagsschule gelernt haben, und was die Wölkchen und Harfen angeht, wird es Ihre Erwartungen garantiert enttäuschen.
    Zunächst mal: Fragen Sie mich gar nicht erst, wie mein Leben vor dem Tod war oder wie ich gestorben bin. Ich weiß es nämlich nicht. Keiner von den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite, weiß so was. Wir könnten immer schon Engel gewesen sein, aber das glauben wir eher nicht, weil unsere Erinnerung höchstens ein paar Jahrzehnte zurückreicht und wir uns alle ziemlich wohl dabei fühlen, lebendige Körper zu bewohnen und in der realen Welt herumzuhängen. Der dienstälteste Engel, den ich je getroffen habe, war mein erster Chef, Leo, der sich erinnern konnte, schon in den vierziger Jahren hier gearbeitet zu haben. Das beweist natürlich gar nichts – vielleicht recyceln sie uns ja wie Pfandflaschen, reinigen uns mit heißem Dampf und füllen uns dann wieder neu, Jahrhundert für Jahrhundert. Als Engel des Herrn muss man sich nun mal dran gewöhnen, mit gewissen Widersprüchen zu leben.
    Es gibt Massen von Engeln, nicht nur im Himmel. So hat schon mal jeder Mann, jede Frau und jedes Kind auf der Erdeeinen Schutzengel. Den können sie nicht sehen, nicht anfassen und normalerweise nicht mal fühlen, aber er ist da, vom ersten Klaps auf ihren Po bis zu ihrem letzten Atemzug … und noch ein kleines bisschen länger. Manche Leute glauben, dass er sie auch vor äußeren Gefahren und vor den Einflüsterungen der Gegenseite beschützt. Das könnte stimmen, aber ich weiß darüber nichts Sicheres. Ist auch nicht mein Ressort.

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