Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
die Wahrscheinlichkeitwar, dass er mich wiedererkennen und mir eine Kugel in den Bauch oder sonst wohin jagen würde. Wie gesagt, Sterben ist nicht das Schlimmste, was einem verkörperten Engel passieren kann, aber es steht mit Sicherheit auf jeder Liste der schmerzhaften und unerfreulichen Abendbeschäftigungen ziemlich weit oben.
Auf halbem Weg merkte ich, dass ich immer noch mein Bier in der Hand hielt, was eindeutig bewies, wie unüberlegt meine Aktion war: Ich hielt es nämlich in meiner Schusshand. Ich würde diese Blödheit gern der Erregung des Augenblicks zuschreiben – so eine Konfrontation erlebt man ja nicht oft –, aber ich fürchte, sie hatte ausschließlich damit zu tun, dass die Gräfin von Coldhands so verwirrend attraktiv war, eine Frau, für die man nicht nur seine Freiheit, sondern buchstäblich seine unsterbliche Seele riskieren würde. Ja. So toll war sie.
Aber inwendig nicht, Idiot , sagte ich mir. Hör auf, mit Klein-Bobbymann zu denken, und schreib dir das hinter die Ohren .
Ich blieb vor ihrem Tisch stehen. Der kahlköpfige Bodyguard ließ die Oberarmmuskeln spielen, rührte sich aber nicht. Er hielt die Hände schön sichtbar, also tat ich es auch. Wobei ich in der einen Hand ja sowieso einen Bierkrug hatte. Ja, so richtig durchdacht war das Ganze wirklich nicht.
»Gräfin«, sagte ich. »Schön, Sie wiederzusehen.«
»Wir sind uns schon mal begegnet?« Der einzige Unterschied zwischen ihrer Außerhalb- und ihrer Innerhalb-Erscheinung, den ich jetzt ausmachen konnte, waren ihre Augen: Hier in der sogenannten realen Welt waren sie nicht blutrot, sondern eisig blassblau. Sie lächelte, aber, Junge, Junge, war dieses Lächeln kalt . »Helfen Sie mir auf die Sprünge.«
»Neulich erst. Vor dem Walkerschen Haus.«
»Walkerschen Haus?« Sie schaffte es, zwei so normale Wörter klingen zu lassen, als hätte ich etwas Anzügliches gesagt. »Ich kenne keinen solchen Ort, und Sie kenne ich auch nicht.«
Jetzt war es an mir zu lächeln. »Ich glaube ja gern, dass Sie mich vorher nicht kannten, Gräfin, aber wer dort anwesend war, weiß doch inzwischen wohl jeder. Es ist in gewissen Kreisen durchaus ein Thema. Mein Name ist Bobby Dollar.«
Sie starrte mich eine gefühlte Minute lang an, so kalt wie eine Polarkerneisprobe. »Es muss sich um eine Verwechslung handeln, Mr. Dollar. Wenn Sie jetzt so gut wären, ich erwarte jemanden.«
»Macht nichts. Ich bin ein sozialer Typ …«, sagte ich, aber da packte eine Hand meinen rechten Arm so fest, dass mir der Bierkrug aus den tauben Fingern rutschte und, Bier und Schaum speiend, auf den Tisch krachte.
»Die Dame hat gesagt, Sie sollen gehen«, beschied mich Nummer Eins, der mit dem Spinnwebtattoo, in heiserem Flüsterton. »Also tun Sie’s. Oder ich reiße Ihnen den Arm aus dem …«
Ich wartete nicht erst ab, woraus er ihn reißen wollte und was er danach damit vorhatte. Vielmehr ergriff ich mit der linken Hand den umgekippten Bierkrug, holte damit aus und hieb ihn, so fest ich konnte, dem Kerl auf die auf der Tischplatte liegenden Finger. Er ließ meinen Arm los und gab einen grunzenden Schmerzenslaut von sich, den ich unterbrach, indem ich ihm den Krug mit einem Rückhandschwung ins Gesicht donnerte. Als er mit heftig blutender Nase zu Boden ging, hörte ich direkt hinter mir Schritte. Ich ließ den Bierkrug fallen und fuhr herum; als ich hundertachtzig Grad geschafft hatte, war der .38er in meiner Hand und genau aufs Gesicht von Nummer Zwei gerichtet. Der fingerte immer noch nach seiner Knarre. Er hatte wohl nicht mit einem so aufregenden Abend hier im Water Hole gerechnet. Wenn ich losgestürzt wäre, um meine Chefin zu schützen, hätte ich unterwegs längst meine Waffe gezogen gehabt, aber das liegt daran, dass ich nicht so kräftig bin wie manche dieser Gorillas, und daran, dass ich Schmerz hasse.
»Fick dich, Mann«, sagte Nummer Zwei. Er hatte einen Militärhaarschnitt,einen mächtigen Schnurrbart und eine sehr tiefe Stimme. Ansonsten hätte er irgendein Dreifach-Mörder aus dem Todeszellentrakt sein können. »Nur los, erschießen Sie mich. Sie wird Sie auf schlimmere Art töten, als ich es je könnte. Dann wird sie Sie mit nach Hause nehmen und noch ein bisschen weiter töten.«
»Ich will dich nicht erschießen, Sonnenscheinchen. Ich will dich noch nicht mal so zurichten, dass es deine Schwulenpornokarriere gefährden könnte.« Ich sah die Gräfin an, die das Ganze fast schon amüsiert beobachtete, obwohl ihr das Blut und das
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