Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
stellt. Wir sind dem Leben der Männer verpflichtet, die uns sich selbst, ihre Kinder, Frauen und Mütter wie auch alle anderen, die sie lieben, anvertraut haben. Von einer Frau, die damals ein kleines Mädchen war und vor deren Augen man die Mutter vergewaltigte und ermordete, habe ich Berichte über die Plünderung des Jahres 1204 gehört …«
Er schien betroffen. Tränen liefen ihm über die schlaffen Wangen.
»Aber weit schlimmer wäre es, unseren Glauben zu verleugnen«, fuhr sie fort und verabscheute sich, weil sie ihm damit Seelenqualen bereitete. »Wenn Euch Gottes Heiliger Geist sagt, was richtig ist, dürft Ihr Euch um keinen Preis dagegenstellen, denn das würde die ewige Verdammnis bedeuten. «
Er nickte bedächtig. »Du bist weise, Bruder Anastasios. Weiser, denke ich, als so manche meiner Mitbrüder und mit Sicherheit weiser als der kaltherzige Abgesandte aus Rom.« Er lächelte schwach, wobei seine Augen kurz aufleuchteten. »Die einzige Weisheit besteht darin, Gott zu vertrauen.« Er machte das Kreuzzeichen auf die überlieferte Weise, sank zurück auf sein Lager und schlief ein. Nach wie vor lag ein leichtes Lächeln auf seinen Zügen.
Als sie ihn das nächste Mal aufsuchte, war er wach und fieberte. Seine Finger zitterten so stark, dass er kaum die Schale mit dem Kräuteraufguss halten konnte, so dass sie ihre Hände um die seinen legen musste, um ihm zu helfen. Das schien der richtige Zeitpunkt für Zoes Stärkungsmittel zu sein. Gewöhnlich benutzte Anna ausschließlich Kräuter, die sie selbst beschafft und gemischt hatte, doch hatte sie inzwischen alles ausprobiert, was ihr zu Gebote stand.
Sie sagte ihm, sie werde einen neuen Aufguss mit Kräutern machen, die ihr Zoe Chrysaphes für ihn mitgegeben hatte. Dann ging sie hinaus, während der junge Mönch bei ihm wachte. Als sie zurückkehrte, sah Kyrillos müde aus, und sie gab ihm den Aufguss mit den Worten »Möglicherweise schmeckt der Trank bitter. Ich habe ebenso wie Zoe davon getrunken, aber mit Wein vermischt, und ich weiß, dass Ihr das nicht wollt.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, keinen Wein.« Er griff nach der Schale, und sie gab sie ihm. Schon nach dem ersten Schluck verzog er das Gesicht. »Das schmeckt wirklich abscheulich«, sagte er. »Hätte ich doch nur dieses eine Mal – « Er brach mitten im Satz ab. Sein Gesicht wurde kreidebleich, die Augen waren weit aufgerissen, und keuchend griff er sich, nach Luft ringend, an die Kehle.
»Ihr habt ihn vergiftet!«, rief der junge Mönch entsetzt aus. Er sprang auf und eilte zur Tür. »Kommt und helft! Man hat Kyrillos vergiftet.«
Schritte hallten durch den Gang, während der junge Mönch ununterbrochen rief. Anna gegenüber keuchte Kyrillos mit hervorquellenden Augen. Seine Haut hatte alle Farbe verloren, und sein Gesicht begann blau anzulaufen.
Aber sie hatte doch dasselbe getrunken wie er! Sie hatte gesehen, dass Zoe die Kräuter aus demselben seidenen Beutel genommen hatte wie für ihren eigenen Trunk, und sie hatte für Kyrillos nur eine einzige Prise davon verwendet. Einen bitteren Geschmack hatte sie damals nicht wahrgenommen, allerdings hatten Zoe und sie das Pulver in Wein aufgelöst und gleich anschließend Honigkuchen gegessen.
War das die Erklärung? Wusste Zoe, dass Kyrillos keinen Wein trank?
Sie sprang auf und eilte zur Tür. »Wein!«, schrie sie dem Mönch, der nur einen Schritt von ihr entfernt stand, förmlich ins Gesicht. »Holt sofort Wein und Honig! Beeilt Euch! Es geht um sein Leben.«
»Ihr habt ihn vergiftet!«, warf er ihr mit vor Abscheu verzerrtem Gesicht vor.
»Nicht ich, die Römer! Steht nicht wie ein Klotz da, holt Wein und Honig, oder wollt Ihr, dass er stirbt?«
Sogleich eilte er den Gang entlang, so schnell ihn die Beine trugen.
Anna kehrte in die Zelle zurück und versuchte, Kyrillos so zu halten, dass er Luft bekam. Es schien ihr, als verenge sich seine Kehle immer mehr, während sich seine Brust in dem Versuch zu atmen hob und senkte. Angstvoll wartete sie auf die Rückkehr des Mönches.
Schließlich kam dieser, von einem zweiten gefolgt, und brachte Wein und Honig. Sie entriss ihm beides förmlich, vermischte es und hielt Kyrillos den Becher an die Lippen.
»Trinkt jetzt!«, gebot sie. »Auch wenn es schmerzt, trinkt! Euer Leben hängt davon ab.« Sie versuchte, seine Kiefer voneinander zu lösen und ihm das Getränk einzuflößen. Er schien kaum noch zu atmen, und seine Augen verdrehten sich. »Haltet ihn!«, rief sie dem
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