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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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hindurchdrängte, rief ihren Namen.

    »Ist es ein Notfall?«, fragte sie, ohne den Blick zu heben. »Der Mann hier braucht meine …«
    »Ja, es ist ein Notfall, und vielleicht kommt Ihr bereits zu spät.« Der Priester griff nach ihrem Arm und zog sie hoch. »Er verblutet. Man hat ihm die Zunge herausgerissen.«
    Sie wandte sich zu den Menschen und wies auf den Alten. »Bringt ihn nach Hause. Deckt ihn gut zu und flößt ihm heiße Getränke ein. Ich muss fort.«
    Sie nahm ihre Tasche und folgte dem Priester um eine Ecke durch eine schmale Gasse zu einem kleinen Haus, durch dessen offen stehende Tür sie würgende Geräusche sowie Jammerlaute hörte.
    Im Inneren bot sich ihr ein grauenvolles Bild. Ein Mann kniete am Boden vor einer Blutlache. Blut strömte ihm aus dem Mund, bedeckte seine Hände und Unterarme sowie sein Gewand. Keuchend würgte er noch immer mehr Blut heraus. Sein Gesicht war grau vor Schmerz und Entsetzen, sein Blick starr. Drei oder vier Mönche umstanden hilflos den Mann, der vor ihren Augen verblutete.
    Anna stellte ihre Tasche ab, nahm einem von ihnen ein Tuch aus der Hand, vergewisserte sich mit einem raschen Blick, dass es sauber war, und trat dann zu dem Mann am Boden. Jemand hatte ihr gesagt, dass er Nikodemus hieß.
    »Ich kann Euch helfen«, sagte sie beruhigend und betete insgeheim zu Gott, dass ihr Wagnis gelingen möge. »Ich werde die Blutung stillen, und Ihr werdet nicht ersticken. Ihr müsst durch die Nase atmen. Das ist nicht ganz einfach, aber Ihr werdet das schaffen. Haltet still und lasst mich gewähren. Es wird schmerzen, aber das lässt sich nicht vermeiden.« Bevor er zurückzucken konnte, legte sie einen Arm um ihn. Einer der Mönche hatte offensichtlich erfasst,
was sie tun wollte, und trat herbei, um ihr zu helfen. Gemeinsam hielten sie den vor Entsetzen halb Verrückten fest, während ihm Anna den Mund weiter öffnete und das Tuch, so kräftig sie konnte, auf den blutigen Stumpf der Zunge drückte.
    Die Schmerzen mussten grässlich sein, doch nach den ersten krampfhaften Zuckungen und Versuchen auszuweichen, hielt der Mann still, so gut es ging.
    Mit ruhiger Stimme forderte Anna die anderen Mönche und den Priester, der sie geholt hatte, auf, weitere saubere Tücher zu holen, bestimmte Kräuter und kleine Gefäße mit Flüssigkeiten aus ihrer Tasche zu nehmen, wie auch Nadeln und den Seidenfaden, den sie zum Nähen der Wunde brauchte. Zwei von ihnen gebot sie, Wasser zu holen und das Blut vom Boden aufzuwischen.
    Während sie diese Anweisungen erteilte, drückte sie mit unverminderter Kraft auf den Zungenstumpf und versuchte verzweifelt zu verhindern, dass der Mann weiter blutete, an seinem Blut erstickte oder keine Luft bekam.
    Während sie ihn mit dem linken Arm festhielt, tauschte sie rasch das blutgetränkte Tuch gegen ein frisches aus. Um sich herum hörte sie Gebetsgemurmel und wünschte, sie könnte sich daran beteiligen.
    Nach über einer halben Stunde nahm sie schließlich das Tuch behutsam fort und stellte fest, dass sie die Gefäße verschließen und das verbliebene Fleisch zusammennähen konnte, wenn sie rasch zu Werke ging, so dass das Tuch nicht mehr nötig war.
    Es war eine äußerst schwierige Aufgabe, da ihr lediglich das Licht einer flackernden Kerze zur Verfügung stand, und ihr war nur allzu bewusst, was für Schmerzen sie dem Mann zufügte, da sie ihm nicht wie in anderen Fällen einen
betäubenden Kräuterabsud zu trinken geben konnte. Sein Mund und seine Kehle waren eine einzige Masse geschwollenen scharlachroten Fleisches, und sie musste sehr zügig arbeiten, um die Blutung zum Stillstand zu bringen.
    Als sie schließlich die schwierige Aufgabe beendet hatte, tupfte sie das restliche Blut ab, wusch dem Mann vorsichtig das Gesicht und sah ihm in die Augen. Ihr war bewusst, dass er nie wieder würde sprechen können. Sie nahm Kräuter zur Hand und erklärte den Anwesenden, auf welche Weise und in welchem Mischungsverhältnis sie zu verwenden waren.
    »Außerdem müsst Ihr seine Lippen und seinen Mund unbedingt ständig feucht halten«, fuhr sie fort. »Die Wunde selbst aber darf auf keinen Fall mit Flüssigkeit in Berührung kommen. Ihr könnt ihm etwas mit Honig vermischten Wein zu trinken geben, seid aber vorsichtig, um nicht an die Wunde zu kommen und um zu vermeiden, dass er erstickt.«
    »Und was kann er essen?«, fragte einer.
    »Schleimsuppe«, gab sie zur Antwort. »Warm, aber nicht zu heiß. Auch andere Suppen. Er wird im Laufe der Zeit

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