Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
waren.
»Ihr müsst vorsichtiger sein«, sagte die Frau, während sie nach Luft rang und ihre nassen langen Haare schüttelte. »Ihr habt zu vielen geholfen, und jetzt kennt man Euch.«
»Was will man von mir? Wer kennt mich?«, fragte sie, bemüht, gegen die Wahrheit anzukämpfen.
»Unsere Feinde«, gab der Mann zur Antwort. »Man weiß, dass Ihr Bischof Konstantinos’ Arzt seid und Euch gemeinsam mit ihm um die Armen gekümmert habt.«
Mehr wurde darüber nicht gesagt. Selbstverständlich stand Bischof Konstantinos hinter all den Rettungsunternehmen, sorgte für Medikamente, kümmerte sich um den Widerstand der Masse einfacher Menschen. Er hatte sich dafür eingesetzt, dass man Ioustinianos wegen seiner Verwicklung in den Mord an Bessarion nicht hingerichtet, sondern lediglich verbannt hatte. Sie alle kämpften für dieselbe Sache, für Byzanz und den Weiterbestand ihres Glaubens, setzten sich für das Recht ein, Gott so zu dienen, wie sie es für richtig hielten.
Sie suchte Konstantinos in der Stille seines Hauses auf, in der Galerie, in der seine Lieblingsikone hing.
»Danke«, sagte sie schlicht, während sie hungrig und erschöpft vor ihm stand, wie gerädert von der Mühsal der nächtlichen Flucht. Ihr war bewusst, was sie verloren hatte. »Danke für alles, was Ihr tut, für den Mut, uns zu führen, uns das Licht zu zeigen, damit wir es sehen können. Auch wenn ich nicht weiß, ob ich, was das Wesen Gottes und des Heiligen Geistes betrifft, eher dem einen oder dem anderen Glauben zuneige, bin ich doch fest von der Liebe zur Menschheit überzeugt, die Jesus uns gelehrt hat. Ich weiß in der Tiefe meines Herzens, dass sie es wert ist, alles dahinzugeben, was wir geben können. Es lohnt sich, dafür zu leben und zu sterben, denn ohne sie würde am Ende die Finsternis alles verschlingen.«
KAPİTEL 32
Helena hatte ein nicht besonders schweres, wohl aber peinliches Leiden, und so ließ sie es lieber von Anna behandeln als von dem Arzt, den sie gewöhnlich hinzuzog.
Es war um die Mitte des Nachmittags, und Simonis weckte Anna, die sich, von der Behandlung der Verstümmelten und Sterbenden erschöpft, zu einem kurzen Erholungsschlaf hingelegt hatte. Als sie erfuhr, dass Helena nach ihr geschickt hatte, wollte sie zuerst ablehnen. Wie konnte sie ein leichtes Hautjucken behandeln, während Männer zu Tode gefoltert wurden?
»Ich weiß, dass Ihr müde seid, denn Ihr habt seit Wochen nicht richtig geschlafen«, sagte Simonis, »aber Helena Komnena ist Bessarions Witwe«, fügte sie mit mahnendem Blick hinzu. Mit Nachdruck und einem Anflug von Furcht
in der Stimme fuhr sie fort: »Ihr könnt es Euch unmöglich leisten, nicht zu ihr zu gehen. Sie hat Ioustinianos gekannt.« Nach kurzem Zögern ergänzte sie: »Und seine Freunde.« Es war Anna klar, was sie damit meinte.
Helena empfing Anna in einem luxuriös neu hergerichteten Raum neben ihrem Schlafzimmer. Die Wandgemälde waren gewagter, als Bessarion gewünscht hätte. Anna bemühte sich, nicht zu lächeln.
Helena trug eine lose sitzende Tunika. Ihr Arm wies eine hässliche Rötung auf. Anfangs wirkte Helena ängstlich und behandelte Anna höflich, doch als die Kräuter zu wirken begannen, wich ihre Sorge, und ihr üblicher Hochmut brach durch.
»Es schmerzt immer noch«, sagte sie schroff und entzog Anna ihren Arm.
»Das wird es noch eine ganze Weile tun«, teilte sie ihr mit. »Ihr müsst die Salbe darauflassen und den Kräuterabsud mindestens zweimal am Tag trinken.«
»Er schmeckt ekelhaft!«, gab Helena mit gekräuselter Lippe zurück. »Habt Ihr nichts, was nicht so schmeckt, als wolltet Ihr mich vergiften?«
»Falls das meine Absicht wäre, würde ich es mit Honig vermengen«, gab Anna mit leisem Lächeln zurück.
Helena erbleichte. Während Anna den Blick abwandte und Helenas Gewänder losließ, so dass sie ihre Blöße bedeckten, fragte sie sich, warum Helena ohne erkennbaren Anlass von Gift gesprochen hatte.
»Wisst Ihr überhaupt, was Ihr tut?«, fuhr Helena sie an.
Anna beschloss, das Wagnis einzugehen. »Sofern Ihr Euch in dieser Hinsicht Sorgen macht, kennt Ihr gewiss andere
Ärzte, die Euch gefälliger sind. Ich bin sicher, dass Eurer Mutter sogar noch mehr bekannt sind.«
Helenas harte Augen blitzten, ihre Wangen röteten sich, und sie schluckte. »Es tut mir leid, ich habe übereilt gesprochen. Eure Fähigkeiten sind durchaus zufriedenstellend. Ich bin nur nicht an Schmerzen gewöhnt.«
Anna hielt den Blick gesenkt, damit ihre
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