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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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keine Möglichkeit, ihm die Wahrheit vorzuenthalten. »Ja, aber ich weiß nicht genau, was es war. Ich bemühe mich, dahinterzukommen. Man hat Bessarion Komnenos ermordet, und Ioustinianos war in die Sache verwickelt. Es heißt, dass er dem Täter geholfen hat. Der Kaiser hat ihn nach Judäa verbannt.«
    Mit einem Seufzen, in dem Kummer und unendliche Mattigkeit lagen, stieß Ioannis die Luft aus. »Das tut mir leid. Sofern er auch nur von ferne in die Angelegenheit verwickelt ist, hat er nicht gefunden, was er suchte. Ich hatte bei seinem letzten Besuch so eine Ahnung. Er war anders als sonst. Ich habe es an seiner Stimme gehört. Sie klang, als sei er bekümmert.«
    »Bekümmert?«, fragte sie und beugte sich näher zu ihm. »Wegen der Haltung der Kirche … oder wegen etwas anderem? «
    »Mein guter Freund«, sagte Ioannis, wobei er den Kopf schüttelte. »Ioustinianos hat nach Antworten auf Fragen von großer Tragweite gesucht. Er wollte Gründe für Dinge wissen, die wir Menschen nur unvollkommen zu erfassen vermögen. Er wäre ein besserer Kaiser gewesen als Bessarion Komnenos, und ich nehme an, dass ihm das bewusst war. Doch der Besitz des Throns hätte ihn nicht zu einem besseren Menschen gemacht. Ich bin nicht sicher, ob auch ihm das klar war.«
    Kaiser? Ihr Bruder Ioustinianos? Da musste Ioannis etwas falsch verstanden haben. »Aber er liebte die Kirche«, beharrte sie. »Er hätte für sie gekämpft!«
    »Gewiss«, stimmte er zu. »Er war stolz darauf, ihr anzugehören, und hungerte förmlich danach, ihr den angemessenen
Platz zu bewahren, ihre Riten, ihre Schönheit und vor allem ihre Identität.«
    Ein neuer Gedanke kam ihr. »So sehr, dass er bereit gewesen wäre, dafür zu sterben?«
    »Darauf kann ich Euch keine Antwort geben. Niemand weiß, wofür er bereit ist zu sterben, bis der Augenblick der Entscheidung gekommen ist. Wisst Ihr, wofür Ihr sterben würdet, Anastasios?«
    Sie schwieg betroffen.
    Er lächelte. »Was wollt Ihr von Gott? Und was glaubt Ihr, was Er von Euch will? Ich habe diese Frage Ioustinianos gestellt, und er hat mir nicht geantwortet. Ich nehme an, dass er noch nicht wusste, was er glaubte.«
    »Ihr habt gesagt, dass er die Kirche liebte«, erklärte sie leise. »Warum aber die orthodoxe und nicht die römische Kirche? Auch in ihr gibt es Schönheit, Glauben und Riten. Was war es, wofür er einen so hohen Preis zu zahlen bereit war?«
    »Jeder von uns bewegt sich gern auf vertrauten Bahnen«, gab Bruder Ioannis schlicht zur Antwort. »Niemand möchte sich gern von einem Fremden, der uns den Willen eines anderen Landes in einer anderen Sprache aufzwingen will, sagen lassen, was er zu denken oder zu tun hat.«
    »Ist das alles?«
    »Das ist sehr viel«, sagte er mit einem matten Lächeln. »In unserem Leben bleibt nur wenig unverändert. So gut wie alles vergeht, täuscht, enttäuscht oder ernüchtert uns irgendwann. Die einzigen Gewissheiten im Leben sind die unantastbaren Grundsätze der Kirche. Sind sie es nicht wert, dass man für sie lebt oder stirbt?«
    »Doch«, gab sie sogleich zurück. »Hat er … darin seine Hoffnung gefunden?«

    »Das weiß ich nicht«, sagte er mit trauriger und verlorener Stimme. »Aber er fehlt mir.« Er wirkte ermattet. Alle Kraft war aus seiner Stimme gewichen, seine düsteren Augenhöhlen schienen noch tiefer umschattet zu sein als zuvor.
    »Ich tue, was ich kann, um zu beweisen, dass man ihn zu Unrecht beschuldigt hat«, teilte sie ihm mit. »Falls mir das gelingt, wird man ihn begnadigen müssen, und er kann zurückkehren.«
    »Als weitläufiger Vetter?« Er lächelte ihr zu.
    »Als Freund«, erklärte sie. »Ich möchte Euch nicht ermüden. « Sie erhob sich, weil sie fürchtete, sich in nicht wiedergutzumachender Weise zu verraten.
    Er hob die Hand zum Segen in der alten Form. »Gott möge deinen Weg in der Finsternis erleuchten, dein Trost sein in der Einsamkeit kalter Nächte, Anna Laskaris.«
    Glühend wie Feuer stieg es in ihr empor, doch obwohl sie dabei eigentlich hätte Angst empfinden müssen, war es ein köstliches Gefühl. Er hatte sie erkannt, sie bei ihrem richtigen Namen genannt. Einen langen, herrlichen und entsetzlichen Augenblick lang war sie wieder sie selbst.
    Sie beugte sich vor und berührte sanft seine Hand mit einer fraulichen Geste. Dann wandte sie sich um und ging zur Tür. Sobald sie auf den Treppenabsatz hinausgetreten war, würde sie ihre selbst auferlegte Rolle weiterspielen.
    Am Ende des langen Rückwegs nach

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