Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Konstantinopel verabschiedete sie sich von Vicenze nur mit den wenigen Worten, welche die Höflichkeit gebot, und suchte dann Zoe auf.
In dem Raum, an dessen Wand das große goldene Kreuz hing und von dem man einen so herrlichen Blick über die
Stadt bis zum Meer hatte, trat sie ihr mit einem Lächeln gegenüber. Sie genoss den Augenblick.
»Konntet Ihr den guten Kyrillos retten?«, fragte Zoe. In ihren harten topasfarbenen Augen waren die Empfindungen, die in ihr im Widerstreit miteinander lagen, unübersehbar.
»O ja«, gab sie gleichmütig zur Antwort. »Er kann noch viele Jahre leben.«
Zoes Wimpern zuckten. »Und hat der Legat Vicenze sein Ziel erreicht?«
Anna hob fragend die Brauen. »Sein Ziel?«
»Er war doch nicht einfach Euer Reisegefährte!«, sagte Zoe. Es gelang ihr nur mit Mühe, einen Wutausbruch zu unterdrücken.
»Ach ja, er hatte eine Unterhaltung mit Kyrillos«, gab Anna betont beiläufig zurück. »Natürlich war ich nicht dabei anwesend. Anschließend ging es dem armen Kyrillos schlechter, und ich musste alle Mühe aufwenden, um dafür zu sorgen, dass das keine schlimmen Folgen hatte.«
Ärger flammte in Zoes Blick auf. Zum ersten Mal hatte Anna gewagt, sich gegen sie aufzulehnen. Mit einem Mal standen sie einander von Gleich zu Gleich gegenüber.
Anna lächelte. »Dazu habe ich ihm aus den Kräutern, die Ihr mir so vorausschauend mitgegeben habt, einen Aufguss bereitet.«
Zoe holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. Sie wusste nicht, was sie denken sollte. »Und, haben sie geholfen? «, erkundigte sie sich, obwohl sie die Antwort selbstverständlich kannte.
»Zunächst nicht«, teilte ihr Anna mit. »Ehrlich gesagt, haben sie ihn in eine Lage gebracht, in der ich Grund hatte, um sein Leben zu fürchten. Dann ist mir eingefallen, dass
Ihr und ich sie in Wein eingenommen hatten. Und das war in der Tat der entscheidende Unterschied.« Sie lächelte und sah Zoe offen in die Augen. »Ich bin Euch wirklich dankbar für Eure Voraussicht. Ich habe dem Abt genau erklärt, was geschehen ist. Auf keinen Fall wollte ich, dass ein so heiliger Mann auf den Gedanken kommt, Ihr hättet versucht, den armen Kyrillos zu vergiften. Das wäre nicht auszudenken. «
Zoes Gesicht erstarrte wie zu weißem Marmor. Auf ihren Zügen zeigte sich weder Wut noch Erleichterung. Dann trat ein Ausdruck darauf, den Anna richtig deutete, obwohl er im nächsten Augenblick wieder verschwunden war – Bewunderung.
»Wie aufmerksam von Euch«, sagte Zoe leise. »Ich werde Euch das nicht vergessen.«
KAPİTEL 30
Vicenze kehrte in übelster Laune in das gemeinsame Haus zurück.
»Wie war die Reise nach Bithynien?«, erkundigte sich Palombara.
»Ergebnislos«, blaffte Vicenze. »Ich habe sie ohnehin nur unternommen, weil es meine heilige Pflicht war, nichts unversucht zu lassen.« Er sah Palombara boshaft an, als verdächtige er ihn, etwas zu wissen oder zu vermuten. »Einer von uns beiden muss dafür sorgen, dass wir diese halsstarrigen Menschen auf unsere Seite bringen oder ihnen Gelegenheit geben, sich selbst der Verdammnis anheimzuliefern.«
»Damit wir auf jeden Fall gerechtfertigt sind, ganz gleich,
was wir tun.« Palombara war selbst von der Bitterkeit seiner Worte überrascht.
»Genau«, stimmte ihm Vicenze zu. »Es war ein letzter Versuch.«
»Ein letzter?«
Vicenzes Brauen hoben sich, als er mit dem Ausdruck höchster Befriedigung in seinen kalten Augen erklärte: »In der kommenden Woche kehren wir nach Rom zurück. Hattet Ihr das vergessen?«
»Selbstverständlich nicht.« Eigentlich hatte Palombara angenommen, dass sie noch länger bleiben würden, und mit einer gewissen Besorgnis überlegt, was er dem Papst berichten sollte. Inzwischen war er zu der Überzeugung gelangt, dass Kaiser Michael genug Einfluss auf sein Volk hatte, um die Vereinigung mit Rom herbeizuführen, und dass es möglich sein müsste, ein gewisses Maß von Unabhängigkeit der orthodoxen Kirche zu verschleiern. An unterschiedlichen Orten würden die Menschen stets auf unterschiedliche Weise glauben. Allerdings nahm er nicht an, dass diese Erklärung dem Papst zusagen würde. Sie passte zwar zur Wirklichkeit, doch lag darin nicht der politische Sieg, den Johannes XXI. anstrebte.
KAPİTEL 31
Einige Tage später, Anna versorgte gerade einen alten Mann, der sich bei einem Sturz auf der Straße verletzt hatte, wurde es in der Menge der Umstehenden plötzlich unruhig. Ein junger Priester, der sich mit aschfahlem Gesicht
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