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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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Schritte hallten, zu einer riesigen Tür mit Bronzebeschlägen und von dort eine steile Wendeltreppe empor in einen Turm hoch über der sich weithin erstreckenden Klosteranlage. Oben angekommen, blieb er stehen und klopfte an die einzige Tür. Dann öffnete er sie und ließ Anna eintreten.
    »Bruder Ioannis«, sagte er. »Bruder Kyrillos war krank, und ein Arzt ist aus Konstantinopel gekommen, um ihm zu helfen. Er hatte damit Erfolg und wird bald wieder fortgehen. Da er aber aus Nikaia stammt, dachte ich, dass Ihr vielleicht zuvor eine Weile mit ihm reden wollt. Er heißt Anastasios und erinnert mich ein wenig an den Mann, der Euch vor drei oder vier Jahren besucht hat.«
    Anna sah zu dem jungen Mann hin, der sich langsam von seinem harten Holzschemel erhob. Wie sonderbar, dass der Abt sie beschrieb, wo sie doch nur einen Schritt hinter ihm stand. Aufmerksam betrachtete sie das abgezehrte und von Schmerz gezeichnete Gesicht des Mannes, auf dem der Ausdruck großer Güte lag. Er war höchstens Mitte zwanzig.
Dann erkannte sie mit einem Entsetzen, das ihr das Blut wild in den Ohren hämmern und ihren Mund austrocknen ließ, dass seine Augenhöhlen leer waren, was sein Gesicht unvollständig und verstümmelt erscheinen ließ. Sogleich durchfuhr es sie. Jetzt wusste sie, wem sie da gegenüberstand. Es war der einstige Kaiser Ioannis Laskaris, den Michael Palaiologos hatte blenden lassen, damit er ihm den Anspruch auf den Thron nicht streitig machen konnte. Kein Wunder, dass sich der Abt durch Anna an den Mann erinnert fühlte, der Ioannis besucht hatte – das konnte nur Ioustinianos gewesen sein.
    Es kam ihr vor, als müsse sie an ihrem eigenen Atem ersticken. »Bruder Ioannis …«, setzte sie an. Sie hätte ihm liebend gern gesagt, dass sie eine geborene Laskaris war, doch das war selbstverständlich unmöglich.
    Er nickte langsam, einen Augenblick lang überrascht, weil der Abt ihm nicht gesagt hatte, dass der Besucher ein Eunuch war, die Stimme aber für sich sprach. »Tretet näher«, sagte er einladend. »Nehmt Platz.«
    Sie dankte und setzte sich auf den zweiten Schemel. Nicht nur war der Mann, dem sie sich gegenübersah, der rechtmäßige Kaiser, er galt inzwischen vielen auch als Heiliger, als einer, der Gott so nahe war, dass er Wunder von Ihm erbitten konnte. Doch woran sie in erster Linie denken musste, war die Zeit, die Ioustinianos mit ihm verbracht hatte.
    »Euer Vater Abt hat mir gesagt, dass Euch vor einigen Jahren gelegentlich ein Freund besucht hat, ein Mann aus Nikaia …«, begann sie.
    Ioannis’ Gesicht hellte sich vor Freude auf. »Ach ja. Er war von solchem Feuer zu lernen beseelt und wahrhaft auf der Suche nach Gott.«

    »So, wie Ihr das sagt, muss er ein bemerkenswerter Mensch gewesen sein«, sagte sie. »Wenn doch nur mehr von uns auf diese Weise nach Erkenntnis strebten, statt zu tun, als wüssten wir bereits alles.«
    Er lächelte, wobei sein Gesicht förmlich Wärme auszustrahlen schien. »Das hätte auch er sagen können. Ihr allerdings kommt mir ein wenig weiser vor als er, denn Ihr scheint erfasst zu haben, wie viel wir noch lernen können und dass es unendlich vieles gibt, worüber wir nichts wissen.«
    »Ist das der Himmel?«, fragte sie spontan. »Unendlich viel zu lernen und zu lieben? Hat er danach gesucht?«
    »Er liegt Euch am Herzen«, sagte er. »Ist er ein Freund von Euch? Ein Verwandter? Er hatte keinen Bruder, wie er mir gesagt hat, wohl aber eine Schwester. Seinen Worten nach war sie eine sehr begabte Heilkundige.«
    Sie war froh, dass er die Tränen nicht sehen konnte, die ihr aus den Augen stürzten.
    Sogar hier bei Ioannis Laskaris hatte Ioustinianos von ihr gesprochen. Sie schluckte den Kloß herunter, der ihr in die Kehle gestiegen war. »Ein ferner Verwandter«, teilte sie ihm mit und gab der Wahrheit damit so viel Ehre, wie es ihr angesichts der Umstände möglich war.
    »Auch er war ein Laskaris«, sagte Ioannis leise. »Seither war er nicht mehr hier. Ich fürchte, dass er sich auf etwas Gefährliches eingelassen hat. Er hat von Michael Palaiologos und einem Zusammenschluss unserer Kirche mit Rom gesprochen, wie auch davon, dass er die Stadt retten wollte, ohne das Blutvergießen eines Krieges heraufzubeschwören oder dem Verrat Vorschub zu leisten. Das allerdings, sagte er, sei außerordentlich schwierig.« Ioannis Laskaris runzelte die Stirn, wobei sich auch die scharfen Linien
in seinem Gesicht vertieften. »Ihm ist etwas zugestoßen, nicht wahr?«
    Es gab

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