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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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einstweilen zu schweigen.
    Palombara sah zum Kaiser hin. »Majestät, vielleicht ließen sich Mittel und Wege finden, im Geiste christlicher Brüderlichkeit ein Einvernehmen mit diesen heiligen Männern zu erreichen, wenn wir mit ihnen sprechen und es uns
gelingt, sie davon zu überzeugen, dass wir gemeinsam gegen die Bedrohung des Islam stehen, die, wie ich fürchte, immer näher rückt.«
    Bei diesen Worten trat ein amüsierter Ausdruck auf das Gesicht des Kaisers.
    Nachdem es zwanzig Minuten lang auf diese Weise weitergegangen war, zogen sich die beiden Legaten zurück, und bald darauf verließ auch Anna den Palast, nachdem der Kaiser gemerkt hatte, dass sie noch da war, und ihr die Erlaubnis erteilt hatte, sich zu entfernen.
    In der letzten Halle, unmittelbar vor den großen Toren, stieß sie auf Palombara. Vicenze war allem Anschein nach schon fortgegangen. Er sah sie aufmerksam an. Seine ersichtliche Neugier, die wohl damit zusammenhing, dass er den Umgang mit Eunuchen nicht gewohnt war, berührte sie unangenehm. Es kam ihr vor, als erkenne er in ihren Augen ein Schuldbewusstsein, und sie fühlte sich mit ihrem Frauenkörper unter der neutralen Kleidung unsicher. Wirkte sie weiblich auf ihn, der mit der Existenz eines ›dritten Geschlechts‹ nicht vertraut war? Oder überlegte er lediglich, wie sehr sie verstümmelt sein musste, dass ihre Hände so schmal und ihr Hals und Gesicht zierlicher waren als bei einem Mann? Sie musste rasch etwas sagen, um ihn von ihrem Körper abzulenken.
    »Es wird Euch schwerfallen, die Mönche zu überzeugen, dass Ihr die wahre Lehre vertretet, Ehrwürdigste Exzellenz.« Gewöhnlich war sie sich ihrer Stimme nicht bewusst, doch jetzt klang sie in ihren eigenen Ohren nicht wie die eines Eunuchen, sondern ganz wie die einer Frau. »Sie haben ihr Leben der orthodoxen Lehre geweiht«, fügte sie hinzu, »und so mancher von ihnen hat es inzwischen sogar in einem entsetzlichen Martyrium verloren.«

    »Beratet Ihr den Kaiser in diesen Fragen?«, wollte er wissen und trat näher auf sie zu. Trotz seiner Bischofsgewänder strahlte er eine ausgesprochen unpriesterliche Männlichkeit aus. Wie konnte sie nur erreichen, dass er in ihr nicht das Weibliche sah? Ihr fiel nichts ein.
    »Der letzte Rat, den ich ihm gegeben habe, bestand darin, Kamillentee zu trinken«, sagte sie und sah vergnügt Palombaras Verwirrung.
    »Wozu?«, fragte er, als er merkte, dass sie das zu belustigen schien.
    »Er hilft bei der Verdauung und entspannt den Geist«, gab sie zur Antwort. Dann beeilte sie sich hinzuzufügen, damit er nicht annahm, der Kaiser sei krank: »Ich war im Palast, um das Fieber eines der Eunuchen zu behandeln.« Jetzt fiel ihr auf, wie zerknittert ihre Dalmatika nach einer langen Nacht der Pflege war. Vermutlich sah man auch ihrem Gesicht die Ermattung an. »Ich habe viele Stunden bei ihm gewacht, aber glücklicherweise ist er über das Schlimmste hinweg. Jetzt kann ich gehen und mich um meine anderen Patienten kümmern.« Mit diesen Worten wollte sie an ihm vorübergehen.
    »Der Arzt des Kaisers«, sagte Palombara. »Ihr scheint mir für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe sehr jung zu sein.«
    »Ja, ich bin jung«, gab sie zurück. »Zum Glück erfreut sich der Kaiser bester Gesundheit.«
    »Ihr behandelt also ausschließlich die Palasteunuchen?«
    »Ich mache in dieser Beziehung keine Unterschiede. Ein Kranker ist ein Kranker.« Sie hob die Brauen. »Mir ist es gleich, ob ich Römer, Griechen, Moslems oder Juden behandele. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sich ihr jeweiliger Glaube darauf auswirkt, wie die Behandlung
anschlägt. Ich denke, dass Ihr es ebenso haltet. Oder habt Ihr aufgehört, Euch um einfache Leute zu kümmern? Das wäre eine Erklärung für Eure Wahrnehmung der Mönche, die nicht zur Union mit Rom gezwungen werden wollen.«
    »Ihr seid dagegen«, merkte er mit feinem Spott an, als sei ihm das von Anfang an klar gewesen. »Sagt mir den Grund dafür. Lohnt es sich, für die Frage, ob der Heilige Geist ausschließlich von Gottvater ausgeht oder von Ihm und Seinem Sohn, Eure Stadt aufzuopfern – wieder einmal?«
    Sie dachte nicht daran, ihm auf diese Ebene des Argumentierens zu folgen. »Lasst mich ebenso offen sprechen, wie Ihr es tut. Nicht wir werden nach Rom gehen, um die Stadt zu plündern und alles dort in Schutt und Asche zu legen, wohl aber werdet Ihr das hier bei uns tun. Warum ist Euch diese Frage so wichtig? Kann sie es wirklich rechtfertigen, dass

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