Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
sie sagen sollte, ohne ihr wahres Gesicht zu zeigen.
»Euer Geld liegt auf dem Tisch an der Tür«, stieß sie zwischen den Zähnen hervor. »Ihr langweilt mich. Nehmt es und geht.«
Anna drehte sich um und verließ den Raum. Sie musste sich zwingen, nicht zu rennen.
KAPİTEL 33
Als Anna zu Hause eintraf, jagten sich ihre Gedanken. Am ganzen Leibe zitternd, ging sie nahezu wortlos an Simonis vorüber in ihr Zimmer. Sie entkleidete sich, nahm alle Binden und Polster ab und wusch sich immer wieder von Kopf bis Fuß mit einer scharfen Lösung, deren stechenden Geruch sie geradezu wollüstig einsog. Es war ihr, als könne sie sich nur auf diese Weise reinigen. Den Schmerz am ganzen Körper empfand sie beinahe als lustvoll.
Dann zog sie sich erneut an und verließ das Haus, ohne etwas gegessen oder getrunken zu haben, in ihrer schlichten
goldbraunen Tunika und Dalmatika. Glücklicherweise war Bischof Konstantinos zu Hause.
Bei ihrem Eintreten erhob er sich. Kaum, dass er sie gesehen hatte, legte sich ein Ausdruck von Besorgnis auf seine Züge.
»Was ist geschehen?«, erkundigte er sich. »Hat man wieder einen Mönch gefoltert? Ist er gar tot?«
Sie empfand es selbst als grotesk, dass sie sich zu einer Zeit, da man Menschen auf entsetzliche Weise tötete, in ihre unbedeutende Gekränktheit hineinsteigerte. Sie begann zu lachen, konnte nicht aufhören und schluchzte schließlich. »Nein«, stieß sie hervor und tastete sich mit von Tränen verdunkelten Augen zu einem Stuhl vor. »Nein, es ist nichts, nichts Wichtiges.« Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und ließ den Kopf in die Hände sinken. »Ich war bei Helena Komnena. Ich habe sie behandelt. Sie hatte nichts Ernsthaftes, es ist lediglich schmerzhaft. Sie …«
»Was?«, fragte er und setzte sich ihr gegenüber. Seine Stimme war sanft, aber sie hörte die darin liegende Unruhe heraus. Sie hob den Blick zu ihm und fasste sich wieder. »Es ist wirklich nichts. Ihr habt mir einmal gesagt, sie habe sich an Ioustinianos herangemacht, was ihm ausgesprochen peinlich war.« Sie unterließ es, ihr eigenes Erlebnis zu schildern, doch er begriff es auch so. Als er sah, wie sich ihr Gesicht verdüsterte, trat ein Ausdruck von Mitleid und Abscheu in seine Augen, als sei er selbst das Opfer.
»Das tut mir leid«, sagte er. »Seht Euch vor. Die Frau ist äußerst gefährlich.«
»Das ist mir bekannt. Ich denke, dass ich sie auf einigermaßen annehmbare Weise zurückgewiesen habe, aber sie wird das nicht vergessen. Hoffentlich muss ich sie nie wieder behandeln. Vielleicht möchte sie das ohnehin nicht …«
»Zählt nicht darauf, Anastasios. Es macht ihr Vergnügen, andere Menschen zu demütigen.«
Anna stellte sich Helenas Gesicht vor. »Ich vermute, dass sie selbst Erfahrungen mit Demütigungen hat. Sie hat mir gesagt, Ioustinianos habe sie geliebt, und mir ein herrliches Kästchen gezeigt, das er ihr angeblich geschenkt hat.« Sie sah es vor sich, während sie das sagte. Zwar war es die Art von Geschenk, die Ioustinianos ausgewählt hätte, aber doch kaum für einen Menschen wie Helena?
Konstantinos’ Mund verzog sich vor Widerwillen und vielleicht auch aus Mitgefühl. »Lügen«, sagte er, ohne zu zögern. »Er konnte sie nicht ausstehen. Da er aber der Ansicht war, Bessarion könne den Widerstand des Volkes gegen die Union mit Rom anführen, hat er das für sich behalten. «
»Sie hat gesagt, er habe sich kurz vor Bessarions Tod entsetzlich mit ihm gestritten. War auch das eine Lüge?«
Konstantinos sah sie unverwandt an. »Nein. Das stimmt. Er hat es mir selbst berichtet.«
»Warum?«, wollte sie wissen. »Ging es um Helena? Hat Ioustinianos ihm gesagt, dass sie … Wie hätte er ihm so etwas sagen können?«
»Das war es nicht.« Konstantinos schüttelte ganz leicht den Kopf. »Es hatte nichts mit Helena zu tun.«
»Womit dann?«
»Das kann ich Euch nicht sagen«, gab er zurück. »Glaubt mir, es tut mir leid.«
Sie wollte dagegen aufbegehren. Sie sah ihm an, dass er es wusste, aber nicht bereit war, es ihr zu sagen.
»Hat er es Euch gebeichtet?«, sagte sie zitternd. Jetzt erfasste Angst sie wie eine eiserne Hand, die sich unerbittlich um sie schloss.
»Ich kann es Euch nicht sagen«, wiederholte Konstantinos. »Damit würde ich Verrat an anderen üben. Manches weiß ich, anderes kann ich mir zusammenreimen. Würdet Ihr wollen, dass ich es offen ausspräche, wenn es Euer eigenes Geheimnis wäre?«
»Nein«, sagte sie mit belegter Stimme.
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