Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
werde Euch allen meinen Bekannten weiterempfehlen. « Dabei lächelte sie, ohne auf das Geld zu sprechen zu kommen.
»Danke«, sagte Anna überrascht.
»Sonderbar, dass Eulogia gerade gekommen ist, als Ihr hier wart«, fuhr Helena fort. »Wisst Ihr, dass zwischen ihr und Ioustinianos eine Verbindung bestand?«
Angespannt fragte Anna: »Inwiefern?«
»Er war früher einmal verheiratet«, sagte Helena in so herablassendem Ton, als spiele das nicht die geringste Rolle mehr. »Seine Frau ist gestorben. Sie war Eulogias Schwester. « Bei diesen Worten ließ sie Annas Gesicht nicht aus den Augen.
Anna saß reglos da. Sie fühlte sich unbehaglich. Sie wusste
nicht, was sie mit ihren Händen tun sollte. Sie kamen ihr unförmig vor, waren ihr im Weg. Sie schluckte. »Ach, tatsächlich? « Sie versuchte, es unbeteiligt klingen zu lassen.
Helena nahm ein herrliches mit Edelsteinen und Perlen besetztes Silberkästchen vom Tisch. Unwillkürlich sah Anna hin.
»Gefällt es Euch?«, fragte Helena und hielt es ihr vor die Augen.
»Es ist sehr schön«, sagte Anna aufrichtig.
Helena lächelte. »Ein Geschenk Ioustinianos’. Vermutlich ein wenig leichtsinnig, aber er hat mich nun einmal geliebt, wie Ihr ja bereits wisst.« Sie sagte das in befriedigtem Ton und sah Anna unter ihren Wimpern hervor an. »Bessarion hat mir nur wenig geschenkt, woran ich mich erinnern kann. Wenn er etwas für mich ausgesucht hat, waren es Bücher oder Ikonen; natürlich düstere, sehr ernste.« Sie sah erneut zu Anna hin. »Wisst Ihr eigentlich, dass Ioustinianos ein fröhlicher Gesellschafter war? Bei ihm wusste man nie, womit er als Nächstes ankam. Er war stets voller Überraschungen. So etwas gefällt mir.«
Annas Unbehagen nahm zu. Warum erzählte ihr Helena all das? Nach allem, was sie von Bischof Konstantinos gehört hatte, war das ein Lügengewebe. Helena war eine schöne und zutiefst sinnliche Frau, aber Ioustinianos musste doch das Abstoßende an ihrem Wesen erkannt haben, wenn nicht gleich, dann recht bald. Helena drehte das Kästchen in ihren Händen hin und her, wobei die Perlen im Lichtschein schimmerten. Warum mochte Ioustinianos so viel für diese Frau ausgegeben haben? Oder war auch das eine Lüge?
Helena beobachtete sie. »Mögt Ihr schöne Dinge, Anastasios? «
Darauf gab es nur eine mögliche Antwort. »Ja.«
Helenas geschwungene Brauen hoben sich, und mit großen Augen fragte sie: »Einfach ›ja‹? Wie einfallslos. Was für schöne Dinge sind das?«, ließ sie nicht locker. »Schmuck, Juwelen, Gläser, Gemälde, Wandbehänge? Statuen? Oder mögt Ihr lieber Musik und gutes Essen? Oder etwas, was Ihr berühren könnt, wie Seide oder Pelze? Was erfreut Euch, Anastasios?« Sie stellte das Kästchen auf den Tisch und trat näher zu Anna. »Empfinden Eunuchen Lust?«, fragte sie leise.
Hatte sie Ioustinianos auf diese Weise bezirzt? Anna spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach und das Blut brennend ins Gesicht stieg. Offensichtlich versuchte Helena, ihren Arzt sexuell herauszufordern, um sich zu amüsieren. Es war ein Machtspiel, sie wollte einfach sehen, ob es ihr gelang.
Die Luft im Zimmer war drückend wie vor einem Gewitter. Anna hätte alles gegeben, um sich dem entziehen zu können. Es war qualvoll.
Helena ließ den Blick über Annas Körper gleiten. »Ist noch etwas übrig, Anastasios?«, fragte sie mit sanfter Stimme, in der nicht der geringste Anflug von Mitgefühl lag, wohl aber unverhüllte Neugier. Mit ihrer kleinen Hand fasste sie ihr zwischen die Beine und griff ins Leere.
Panik überfiel Anna. Es kam ihr vor, als müsse sie ersticken. Helenas Augen leuchteten spöttisch, herausfordernd und zugleich verächtlich.
Kein Mann, wie verstümmelt auch immer er sein mochte, würde in einer solchen Situation schweigen. Unbedingt musste Anna jetzt reagieren wie ein Mann, durfte den Ekel nicht zeigen, der sich in ihr regte.
Helena würde eine Zurückweisung weder vergessen
noch verzeihen. Sie war ihr so nah, dass Anna die Wärme ihres Leibes spüren und die pochende Schlagader an ihrem Hals sehen konnte.
»Begierde muss gegenseitig sein«, sagte Anna mit erstickter Stimme. »Ich denke, um Euch zu gefallen, muss ein Mann schon sehr bemerkenswert sein.«
Helena stand reglos da, ihre Züge schlaff vor Überraschung und Enttäuschung. Trotz Anastasios’ höflicher und sogar schmeichelhafter Worte fühlte sie sich bestohlen. Sie stieß einen scharfen Laut des Ärgers aus und trat zurück. Jetzt wusste sie nicht, was
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