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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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Sie nahm das Messer erneut
zur Hand und berührte mit dessen Spitze die Wunde. »Sobald sie sauber ist, werde ich sie verbinden.«
    Ein Schweigen trat ein.
    »Das muss Euch schwerfallen«, sagte Zoe.
    Anna lächelte. »Aber es ist nicht unmöglich. Wer ich bin, entscheide ich, nicht Ihr. Aber Ihr habt Recht: Schönheit kann gefährlich sein und dazu führen, dass sich ein Mensch geliebt glaubt, während man ihn in Wahrheit nur verzehrt wie einen Pfirsich oder eine Feige. Irene Vatatzes hat gesagt, dass Grigorios eine Vorliebe für Feigen hatte.«
    Zoes Blut floss jetzt rascher auf den Boden und bildete dort eine kleine Lache.
    »Ich denke, jetzt kann ich die Wunde verbinden«, sagte Anna und sah Zoe mit einem Lächeln an. »Zuerst werde ich ein wenig Salbe aufstreichen. Es wäre äußerst schlimm, wenn die Wunde jetzt vergiftet würde, wo das Fleisch so … verletzlich ist.«
    Mit einem Mal legte sich ein Schatten von Angst auf Zoes Gesicht, und sie beugte sich vor. »Seid vorsichtig«, flüsterte sie. »Eure Liebe zu Dandolo kann Euch teuer zu stehen kommen und Euch unter Umständen sogar das Leben kosten. Sollte mein Fuß nicht heilen, müsstet Ihr das bereuen.«
    Annas Lächeln wurde breiter, doch ihre Augen waren kalt. »Jetzt, da ich den Splitter entfernt habe, ist alles in Ordnung. Ihr wart gut beraten, kein giftiges Holz zu verwenden, als Ihr Euch den Splitter ins Fleisch gestoßen habt.«
    Einen kurzen Augenblick lang trat ein Ausdruck von Überraschung in Zoes Augen. »Zwingt mich nicht, Euch zu vernichten«, sagte sie und ließ es beiläufig klingen. »Ich würde das nur äußerst ungern tun.«

KAPİTEL 54
    Giuliano sah kaum, wohin er die Füße setzte. Die Qual, die ihm Zoe mit ihren Worten bereitet hatte, schien so ungeheuer, dass es ihm vorkam, als dringe sie aus seinem Inneren durch die Haut nach außen. Er fühlte sich dadurch gedemütigt, dass die Frau, an die er undeutliche Erinnerungen hatte – ein ihm zärtlich zugewandtes Gesicht, Tränen, Wärme und ein angenehmer Geruch –, ihn so wenig geliebt hatte, dass sie ihn nicht bei sich behalten wollte und sich überdies dem verächtlichsten aller Gewerbe zugewandt hatte.
    Nur selten war er zu Prostituierten gegangen; bei seinem guten Aussehen und seinem Charme hatte er das nicht nötig. Ein Schauer überlief ihn, und Ekel erfasste ihn bei dem Gedanken an die Gelegenheiten, bei denen er es getan hatte.
    Die Menschen um ihn herum nahm er lediglich als undeutliche Farbflecken wahr, die sich bewegten. Ihm war elend, er zitterte am ganzen Leibe und fror bis ins Mark. Nur gut, dass wenigstens sein Vater nicht erfahren hatte, auf welche Weise Magdalena geendet und sich noch im Tode dem Trost der Kirche entzogen hatte.
    Ohne auf seine Umgebung zu achten, überquerte er die Straße. Nicht einmal die Beschimpfungen der Fuhrleute drangen in sein Bewusstsein. Mit großen Schritten ging er den steilen Hang zum venezianischen Viertel am Ufer hinab.
    Er hasste die Frau, die ihn in ihrem Leib getragen und ihm das Leben geschenkt hatte, für das, was aus ihr geworden war. Unwillkürlich aber musste er daran denken, dass er von seinem Vater gelernt hatte, was Liebe ist – ihr Name war das letzte Wort gewesen, das er gesagt hatte, bevor er
starb. Durfte er da die Mutter verleugnen? Was für ein Mensch war er, wenn er das tat?
    Der Teufel mochte Zoe Chrysaphes holen und sie Höllenqualen erleiden lassen, die ihr ganzes Leben andauerten – so wie es bei ihm sein würde.
    Anastasios hatte sich bewunderungswürdig verhalten, ein wahrer Freund. Erst hatte er ihn davor bewahrt, dass man ihn fälschlich des Mordes an Grigorios Vatatzes bezichtigte, was er wegen der Einfalt, mit der er Zoe auf den Leim gegangen war, eigentlich verdient gehabt hätte, und ihn dann auch gegen sie verteidigt. Bei beiden Gelegenheiten hatte er nicht nur keine Gegenleistung erwartet, sondern sich sogar selbst der Gefahr ausgesetzt. Erst jetzt ging Giuliano auf, wie groß diese Gefahr war. Doch nachdem Anastasios Zeuge von Zoes Mitteilungen geworden war, konnte er ihn unmöglich wiedersehen, denn sicherlich wäre er auf keinen Fall imstande zu vergessen, was Zoe über Giulianos Mutter gesagt hatte, sei es, weil ihn Wut auf Zoe erfüllte, sei es, weil er ihn bemitleidete. Die Vorstellung, jemand könnte ihm Mitleid entgegenbringen, verletzte ihn am meisten.
    Er suchte kurz seine Wohnung auf und ging dann zum Kai hinab, um zu sehen, ob dort Schiffe aus Venedig lagen. Er fand zwei vor. Das eine war

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