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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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ein wenig auf. »Ach, der Arzt. Es ist sehr freundlich, dass man
Euch hat kommen lassen, aber Ihr verschwendet Eure Zeit, junger Mann. Gegen das Alter hilft kein Mittel, außer Gottes eigenem, und ich denke, dass er mir das schon bald schicken wird.«
    »Habt Ihr Schmerzen?«, fragte Anna und setzte sich.
    »Nur soweit sie mit Bedauern und dem Bewusstsein der Sterblichkeit zusammenhängen«, gab Eudoxia zurück.
    Anna fühlte ihr den Puls. Er war schwach, aber regelmäßig. Die Frau hatte kein Fieber. »Schlaft Ihr gut?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Seid Ihr sicher, dass ich nichts für Euch tun kann? Könnte ich Euch auf irgendeine Weise Erleichterung verschaffen? «
    »Vielleicht, wenn ich besser schlafen könnte. Mitunter suchen mich Träume heim, die ich lieber nicht hätte«, gab die Alte mit einem schiefen Lächeln zurück. »Wisst Ihr ein Mittel dagegen?«
    »Vielleicht einen Schlaftrunk. Habt Ihr Schmerzen?«
    »Meine Glieder sind steif, aber das ist das Alter.«
    »Schwester Eudoxia …« Es war Anna bewusst, dass das, was sie zu sagen im Begriff stand, indiskret war, und sie schämte sich.
    Die alte Nonne sah sie fragend an. Dann sagte sie mit gerunzelten Brauen: »Was quält Euch, Arzt?«
    »Es gibt etwas, was ich sehr gern wüsste und was nur Ihr mir sagen könnt«, begann Anna. »Ich bin vor einer Weile auf einem venezianischen Schiff nach Akko gereist. Der Kapitän hieß Giuliano Dandolo …« Sie sah, wie die Nonne zusammenzuckte und plötzlicher Schmerz auf ihre Züge trat.
    »Giuliano«, sagte Eudoxia. Es war kaum mehr als ein schwacher Hauch.

    »Könnt Ihr mir etwas über seine Mutter sagen?«, fragte Anna. »Die Wahrheit. Ich werde es ihm nur sagen, wenn Ihr es mir erlaubt. Er leidet entsetzlich, weil er überzeugt ist, dass sie ihn aus freien Stücken als kleines Kind verlassen hat, weil sie ihn nicht liebte und nichts von ihm wissen wollte.«
    Eudoxia führte ihre schmale blau geäderte Hand an ihre Wange. »Magdalena ist mit Giovanni Dandolo durchgebrannt«, sagte sie leise. »Sie haben in Sizilien geheiratet. Unser Vater ist ihr nachgereist, hat sie aufgespürt und mit Gewalt nach Nikaia zurückgebracht. Dort hat er sie mit dem Mann verheiratet, den er von Anfang an für sie bestimmt hatte.«
    »Aber ihre Ehe mit Dandolo …«, wandte Anna ein.
    »Hat er annullieren lassen. Er wusste nicht, dass Magdalena bereits schwanger war.«
    Eudoxia war bleich; Tränen traten ihr in die Augen. Anna beugte sich über sie und wischte sie ihr mit einem weichen Tuch ab. »Giuliano?«, fragte sie.
    »Ja. Anfangs schien sich ihr Mann damit abgefunden zu haben. Er ist mit ihr an einen anderen Ort gezogen. Als aber das Kind zur Welt kam und sich zeigte, dass es ein Junge war, erfasste ihn rasende Eifersucht. Er wurde gewalttätig, nicht nur Magdalena gegenüber, sondern auch gegenüber Giuliano. Zuerst dachte sie, es würde vorübergehen.« Alter Kummer trat so deutlich in ihre Stimme, als wenn sie ihn in jenem Augenblick erlebte. »Magdalenas Mann wusste, dass sie nach wie vor Dandolo liebte, und jedes Mal, wenn er den Jungen ansah, durchfuhr ihn die Eifersucht. Er hat sie gegen den Kleinen gewendet, den die Diener zweimal mit Mühe und Not vor schweren Verletzungen bewahrt haben, wenn nicht gar vor dem Tod.«

    Anna konnte es sich nur allzu gut vorstellen: die Angst, die Scham und die ständige Sorge.
    »Um ihren kleinen Sohn zu schützen, ist Magdalena mit ihm davongegangen«, fuhr Eudoxia fort, »und zu mir gekommen. Ich war damals verheiratet und sogar ziemlich glücklich. Mein Mann war wohlhabend und hat mir ein gutes Leben ermöglicht, doch wir konnten keine Kinder bekommen.« Sie zuckte zusammen, während sie das Geständnis machte. »Genau genommen konnte er nicht einmal …« Sie beendete den Satz nicht.
    Anna lächelte beruhigend und berührte leicht die schmale Hand der Nonne. »Und Ihr habt Eurer Schwester geholfen? «
    »Ich habe getan, worum sie mich gebeten hat. Ich sollte Giuliano als meinen eigenen Sohn aufziehen. Mein Mann war einverstanden. Ich nehme an, dass ihm das zuerst sogar ganz recht war. Ich habe den Jungen zu mir genommen und meine Schwester unterstützt, so gut ich konnte.« Sie blinzelte, aber nicht rasch genug, um die Tränen zurückzuhalten. »Ich habe den Jungen geliebt …«
    »Sprecht weiter«, flüsterte Anna.
    »Eine Weile ging alles gut, doch als er fünf Jahre alt war, hat mein Mann mit einem Mal seine Haltung geändert, wurde aufbrausend und setzte mir mehr denn je zu. Ich

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