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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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hat
kürzlich ihren Mann verloren, und ich will wissen, wie es um ihren Gemütszustand und ihre Charakterfestigkeit steht.«
    Anna zögerte und überlegte, was sie darauf sagen sollte, schwieg aber. Mit derlei Reaktionen würde sie Zoe nur grundlos verärgern. Sie würde sich später überlegen, was sie ihr sagen wollte.
    »Ich gehe sofort«, sagte sie entgegenkommend.
    Zoe lächelte. »Danke.«
    Euphrosyne Dalassena war eine hinreißend aussehende Frau von Ende zwanzig, die anfangs auf Anna jedoch einen jüngeren Eindruck machte. Sie wirkte seltsam unbelebt, und Anna fragte sich, ob das mit ihrer Krankheit zusammenhängen könnte. Sie lag auf einem Sofa. Ihre Haut war leicht wächsern. Während Anna sich vorstellte, blieb die Dienerin, die sie eingelassen hatte, an der Tür des ziemlich einfallslos eingerichteten Raumes stehen.
    Wie üblich erfragte Anna die Symptome ihres Leidens und untersuchte dann den schmerzhaften Ausschlag auf Rücken und Unterleib der jungen Frau, der sie zu bekümmern und ihr zugleich peinlich zu sein schien. Ihre Temperatur war leicht erhöht. Ihre Augen hingen aufmerksam an Annas Gesicht, als wolle sie jede Reaktion deuten.
    Schließlich ertrug sie das Warten auf den Befund nicht länger und rief aus: »Ich gehe jeden zweiten Tag zur Beichte und weiß von keiner Sünde, die ich nicht bereut hätte. Ich habe gefastet und gebetet, aber mir fällt einfach nichts ein, wessen ich mich schuldig gemacht haben könnte. Bitte helft mir.«
    »Gott straft uns nicht für Dinge, für die wir nichts können«, sagte Anna rasch. Es verblüffte sie selbst, welche
Freiheit sie sich damit herausgenommen hatte. Zwar war das ihre feste Überzeugung, aber deckte es sich mit der Lehre der Kirche? Sie merkte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg.
    »Dann muss ich etwas dafür können«, sagte Euphrosyne mit entwaffnender Logik. »Was habe ich unterlassen? Ich habe zum Schutzpatron der Hauterkrankten gebetet, dem Heiligen Georg. Da er aber auch für vieles andere zuständig ist, habe ich außerdem zu Antonius Abt gebetet, dem Einsiedler, der ebenfalls bei Hautleiden hilft. Ich gehe jeden Tag zur Messe, beichte regelmäßig, gebe den Armen Almosen und opfere der Kirche. Womit habe ich so sehr gefehlt, dass mich diese Krankheit befallen hat? Ich verstehe es nicht.« Sie ließ sich wieder auf das Sofa sinken.
    Anna holte Luft, um zu sagen, dass Krankheiten nichts mit irgendwelchen Sünden, Unterlassungen oder Pflichten zu tun haben, doch fiel ihr rechtzeitig ein, dass man ihr das als Ketzerei auslegen konnte.
    Euphrosyne sah sie nach wie vor an; Schweiß bedeckte ihre Haut und ließ ihre hellbraunen Haare, in denen sie keinen Schmuck trug, strähnig wirken. Anna musste eine Antwort geben, damit sie nicht das Vertrauen zu ihrem Arzt verlor.
    »Könnte Eure Sünde darin bestehen, dass Ihr nicht genug auf Gottes Liebe vertraut?«, fragte sie, von ihren eigenen Worten entsetzt. »Ich gebe Euch eine Medizin, die Ihr einnehmen müsst, und eine Salbe, die Eure Dienerin aufstreichen soll. Betet dabei jedes Mal und vertraut fest darauf, dass Gott Euch ganz persönlich liebt.«
    » Wie könnte Er das?«, sagte Euphrosyne kläglich. »Mein Mann ist jung gestorben, bevor er die Hälfte dessen erreicht
hatte, was ihm möglich gewesen wäre, und ich habe nicht einmal ein Kind zur Welt gebracht! Jetzt hat mich eine so abstoßende Krankheit befallen, dass kein anderer Mann etwas von mir wissen will. Wie kann Gott mich da lieben? Bestimmt mache ich irgendetwas entsetzlich falsch und weiß nicht einmal, was es ist.«
    »Damit habt Ihr Recht«, sagte Anna mit Nachdruck. »Aber Gott ist nicht darauf angewiesen, dass Ihr alles richtig macht – das kann niemand. Wohl aber erwartet Er von Euch, dass Ihr Euch Mühe gebt und Ihm vertraut.«
    Euphrosyne sah sie erstaunt an. »Ich verstehe«, sagte sie. Alle Verwirrtheit war mit einem Schlag von ihr abgefallen. »Ich werde das sogleich bereuen.«
    »Nehmt aber auch die Medizin«, mahnte Anna. »Er hat uns Kräuter und Salben gegeben und dazu den Verstand, sie ihrem Bestimmungszweck entsprechend zu benutzen. Weist Seine Gabe nicht undankbar zurück, denn das wäre in der Tat eine schwere Sünde.« Außerdem würde die Frau dann nicht geheilt, aber das konnte sie ihr nicht sagen.
    »Ich werde Eure Worte beherzigen!«, versprach Euphrosyne.
    Eine Woche später war sie von ihrem Ausschlag vollständig geheilt, und Anna überlegte, ob der Grund für das Fieber vielleicht zum großen Teil eine

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