Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
vorteilhaftesten Lösungen zu finden.«
Vicenze deutete eine so leichte Verneigung an, dass sie kaum zu erkennen war. » Wir werden tun, was recht ist, Majestät. Es ist uns klar, dass Übereilung nur schaden würde.«
Der Kaiser sah ihn zweifelnd an. »In hohem Maße«, stimmte er ihm zu.
Vicenze sog scharf die Luft ein.
Palombara erstarrte, weil er fürchtete, sein Begleiter werde etwas Plumpes und Ungehöriges sagen. Zugleich wünschte eine leise Stimme in ihm Vicenzes Untergang.
Der Kaiser wartete.
»Ein Scheitern kommt auf keinen Fall infrage«, sagte Palombara. Es war ihm wichtig, dass der Kaiser den Unterschied zwischen ihm und Vicenze erkannte.
»So ist es.« Der Kaiser nickte. Dann machte er über die Köpfe der beiden hinweg jemandem ein Zeichen, woraufhin eine sonderbare Gestalt mit eigenartig anmutigen Schritten nähertrat. Das Gesicht des Mannes war breit und bartlos, und er sprach, nachdem ihn der Kaiser mit einer Handbewegung dazu aufgefordert hatte, mit einer Stimme, die weiblich klang, ohne die einer Frau zu sein. Der Kaiser stellte ihn als Bischof Konstantinos vor.
Die Abgesandten des Papstes und der orthodoxe Bischof begrüßten einander förmlich und nicht ohne Unbehagen.
Dann wandte sich Konstantinos dem Kaiser zu. »Majestät«, sagte er mit Nachdruck. »Man müsste wohl auch die
Meinung des Patriarchen Kyrillos Choniates einholen. Seine Billigung würde uns von großem Nutzen sein, wenn wir wollen, dass Eure Untertanen der Union mit Rom zustimmen. Möglicherweise hat man Euch noch nicht davon in Kenntnis gesetzt, wie nah diese Sache ihrem Herzen ist?« Auch wenn das als Frage formuliert war, machte die innere Bewegung, die in seiner Stimme lag, klar, dass er es als mahnenden Hinweis meinte.
Palombara fühlte sich in der Gegenwart dieses Bischofs von unbestimmter Männlichkeit unbehaglich. Es kam ihm so vor, als unterdrücke jener sonderbare Mensch irgendeine Leidenschaft. Doch obwohl er sie nicht zeigen mochte, schien sie mächtig zu sein, denn sie äußerte sich in den lächerlichen Bewegungen seiner bleichen schweren Hände und bisweilen auch darin, dass er seine Stimme nicht zu beherrschen vermochte.
Das Gesicht des Kaisers verfinsterte sich. »Kyrillos Choniates ist nicht mehr Patriarch.«
Bischof Konstantinos ließ sich dadurch nicht von seiner Linie abbringen. »Innerhalb der Kirche dürften die Mönche am schwierigsten davon zu überzeugen sein, dass wir unsere altüberlieferten Bräuche aufgeben sollen, um uns Rom zu unterwerfen, Majestät«, erklärte er. »Kyrillos könnte uns helfen, sie auf unsere Seite zu ziehen.«
Der Kaiser hielt den Blick unverwandt auf ihn gerichtet, wobei sich sein Gesichtsausdruck von Gewissheit zu Zweifel wandelte. »Ich muss mich über Euch wundern«, sagte er schließlich. »Erst sprecht Ihr Euch mit Nachdruck gegen den Zusammenschluss aus, und jetzt versucht Ihr mir klarzumachen, auf welche Weise man den Weg dafür am besten bereitet. Mir scheint, mit Euren Überzeugungen verhält es sich wie mit Wasser im Wind.«
Schlagartig fiel es Palombara wie Schuppen von den Augen. Wieso hatte er das nicht gleich begriffen? Bischof Konstantinos war Eunuch! Unwillkürlich wandte er den Blick ab, weil er spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg, während ihm zugleich seine eigene Männlichkeit bewusst wurde. Für ihn waren Leidenschaftlichkeit und Stärke gleichbedeutend mit Männlichkeit, und stets hatte er fehlenden Mut, mangelnde Entschlossenheit sowie Schwäche und Wankelmut für weibisch gehalten. Diesen Standpunkt schien auch der Kaiser zu vertreten.
»Das Meer besteht aus Wasser, Majestät«, sagte Konstantinos leise, während er den Kaiser ansah, ohne den Blick zu senken. »Christus ist auf dem See Genezareth gewandelt, aber uns stünde Besonnenheit gut an, damit wir nicht ertrinken, weil wir im Glauben schwach sind wie der Jünger Petrus, und das, ohne dass uns jemand eine rettende Hand reichen würde.«
Ein unbehagliches Schweigen legte sich über den Saal.
Der Kaiser atmete betont langsam ein und aus. Lange sah er den Bischof angespannt an, den das aber nicht zu beeindrucken schien.
Als Vicenze zum Sprechen ansetzte, stieß ihm Palombara den Ellbogen so scharf in die Rippen, dass Vicenze keuchte.
»Ich bin nicht überzeugt, dass Kyrillos Choniates die Notwendigkeit der Union mit Rom einsehen wird«, sagte der Kaiser schließlich. »Er ist Idealist, ich hingegen sehe die Dinge, wie sie sind.«
»Das muss man auch, wenn man etwas
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