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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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kräftig gebauten Endvierziger mit breiter Brust gegenüber, dessen leicht gebräuntes Gesicht mit den dunklen Augen von einer gewaltigen Nase beherrscht wurde. Das Einzige, was ihn von den anderen Anwesenden unterschied, waren seine ruhelose Energie und die Selbstsicherheit, die sogar dann in seinen Augen glühte, wenn er reglos dastand.
    Als Giuliano zum Sprechen aufgefordert wurde, stellte er sich als mit der Mehrzahl der Häfen im östlichen Mittelmeer vertrauten Seefahrer vor, der zugleich Abgesandter des Dogen von Venedig war.
    Charles hieß ihn willkommen. Seine Aufforderung, an der mit Speisen und Getränken reich gedeckten Tafel Platz zu nehmen, klang wie ein Befehl, und Giuliano befolgte sie sogleich. Doch statt sich ebenfalls zu setzen und zu essen, ging Charles mit großen Schritten im Raum auf und ab und stellte ihm eine Frage um die andere.
    »Ihr habt gesagt, dass Ihr ein Dandolo seid?«
    »Ja, Sire.«
    »Ein großer Name! In der Tat, ein großer Name. Und Ihr seid mit dem Osten vertraut? Ihr kennt Zypern? Rhodos? Kreta? Akko? Wart Ihr schon in Akko?«
    Giuliano beschrieb ihm die Orte mit knappen Worten. Sicherlich kannte Charles sie bereits und wollte vermutlich nur prüfen, ob Giuliano die Wahrheit gesagt hatte. Nach einer Weile setzte auch er sich, biss von Zeit zu Zeit von einer Geflügelkeule, einem Stück Brot oder einer Frucht etwas ab und trank nur wenig Wein dazu. Ununterbrochen
erteilte er Anweisungen, die von mehreren Schreibern notiert wurden, als brauche er jedes Schriftstück in mehrfacher Ausfertigung. Es beeindruckte Giuliano, dass der Mann imstande zu sein schien, so viele Dinge gleichzeitig zu bedenken.
    Seine Kenntnis der politischen Verhältnisse im gesamten Heiligen Römischen Reich wie auch im übrigen Europa war umfassend, auch wusste er eine Menge über Nordafrika, das Heilige Land und die jenseits davon liegenden Gebiete bis hin zum Mongolenreich. Verblüfft bemühte sich Giuliano, mit ihm mitzuhalten, und kam schon bald zu dem Ergebnis, dass es nicht nur höflich, sondern auch ein Gebot der Klugheit war, sein begrenztes Wissen einem Mann gegenüber einzugestehen, der gewiss schon nach kurzer Zeit die geringeren Kenntnisse eines Jüngeren und Unerfahreneren erkennen würde.
    Er beschloss, das Gespräch auf Schiffe für den geplanten Kreuzzug zu lenken. Dafür hatte ihn Tiepolo schließlich hergeschickt.
    »Ein solches Unternehmen würde eine große Flotte erfordern«, bemerkte er.
    Charles lachte. »Da spricht der Venezianer. Natürlich. Für Euch bedeutet das eine Menge Geld und eine Menge Pilger. Wollt Ihr mir einen Handel vorschlagen?«
    Giuliano lehnte sich leicht zurück und lächelte. »Warum nicht? Viel Bauholz wäre nötig, weit mehr als gewöhnlich. All unsere Werften wären beschäftigt, möglicherweise Tag und Nacht.«
    »Für eine heilige Sache«, gab Charles zu bedenken.
    »Eroberung oder Gewinn?«, fragte Giuliano.
    Charles lachte dröhnend und hieb ihm so heftig auf die Schulter, dass seine Zähne aufeinanderschlugen. »Ihr seid
ein Mann nach meinem Herzen, Dandolo«, sagte er. »Wir werden über die nötige Anzahl von Schiffen und über Geld reden, wenn es so weit ist. Nehmt noch ein Glas Wein.«
    Als Giuliano drei Stunden später den Palast mit den kaum weniger aufwendig als die des Dogenpalasts von Venedig geschmückten Räumen verließ, schwirrte ihm der Kopf. Die Höflinge des Franzosen erschienen ihm vergleichsweise wenig kultiviert, wenn nicht gar ungehobelt.
    Manche sagten, Charles sei streng, aber gerecht, andere behaupteten, er bringe keinerlei Gefühle für seine italienischen Untertanen auf und treibe sie durch die Steuerlast in die Armut, wenn nicht gar in den Hungertod.
    Doch um seinen Ehrgeiz zu befriedigen, hatte er sich entschieden, so oft wie möglich in Neapel Hof zu halten, einer Stadt, in der das Leben ungestüm pulsierte und die wie ein Schmuckstück an der Seite eines schlafenden Drachen lag, dessen Rauch auch jetzt wieder am Horizont aufstieg. Auch Charles war eine Naturgewalt, die unter Umständen jeden vernichten würde, der ihn nicht ernst nahm.
    Es war Giuliano bewusst, dass er noch weit mehr in Erfahrung bringen, Augen und Ohren offen halten musste, um dem Dogen möglichst viel berichten zu können. Er ging die Stufen hinab in das grelle Sonnenlicht, und sogleich umhüllte ihn die von den Steinen zurückgestrahlte Hitze. So viel Sonnenwärme, wie es dort Tag für Tag gab, war er nicht gewohnt.
    Als Charles seine Hofhaltung aus Neapel

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