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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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Oberhaupt hingezogen. Andrea hatte asketische Gesichtszüge und hinkte ein wenig. Zwar war seine Frau Teresa zurückhaltend, doch hieß sie Giuliano willkommen, und die fünf Kinder traten dem Fremden gänzlich unbefangen gegenüber. Sie stellten ihm zahllose Fragen nach seiner Herkunft und dem Grund seines Dortseins, bis ihre Eltern ihre Neugier als unhöflich schalten. In einer Reihe nebeneinander stehend entschuldigten sie sich mit gesenktem Blick.
    »Ich finde nicht, dass ihr unhöflich wart«, sagte Giuliano rasch auf Italienisch. »Wenn wir Zeit haben, berichte ich euch eines Tages etwas über die anderen Orte, an denen ich war, und wie es dort zugeht. Ihr dürft mir auch gern etwas über Konstantinopel erzählen, wenn ihr wollt. Ich bin zum ersten Mal hier.«
    »Ich stamme aus Venedig«, erklärte Mocenigo mit einem Lächeln, »habe mich aber entschieden, hier zu leben, weil meine Frau Byzantinerin ist und der orthodoxe Glaube mir eine gewisse geistige Freiheit gibt.« Da er annahm, dass Giuliano der römischen Kirche angehörte, sagte er das in halb entschuldigendem Ton, doch seine Augen blickten
fest und entschlossen. Auf keinen Fall würde er Streit suchen, wohl aber seinen Glauben verteidigen, falls es dazu kam.
    Giuliano hielt ihm die Hand hin. »Dann werde ich von Euch vielleicht etwas mehr über Byzanz erfahren, als mir die Händler zu sagen bereit sind.«
    Damit galt es als beschlossene Sache, dass man ihn als Mieter aufnehmen würde, und er nahm das Angebot bereitwillig an. Sie schüttelten sich die Hand, um ihre Vereinbarung zu besiegeln.
    Selbstverständlich wollten seine Gastgeber wissen, was ihn nach Konstantinopel geführt hatte, und er hatte seine Antwort bereit. »In meiner Familie waren die Männer schon von alters her Händler«, sagte er. Das zumindest entsprach der Wahrheit, sofern er alle Abkömmlinge des großen Dogen Enrico Dandolo einbezog. »Ich bin gekommen, um mit eigenen Augen zu sehen, womit hier gehandelt wird und wie wir unser Geschäft ausweiten können. Ich denke, dass es unerfüllte Bedürfnisse und neue Möglichkeiten gibt.« Er wollte sich die Möglichkeit nicht verbauen, so viele Fragen zu stellen, wie es ging, ohne Misstrauen zu erregen. »Der jüngst erfolgte Zusammenschluss mit der römischen Kirche dürfte so manches vereinfachen.«
    Mocenigo zuckte die Achseln und verzog zweifelnd das Gesicht. »Der Vertrag ist unterzeichnet, aber bis er mit Leben erfüllt sein wird, ist es noch ein langer Weg.«
    Es gelang Giuliano, überrascht dreinzublicken. »Meint Ihr, dass man ihn nicht einhalten wird? Das byzantinische Reich will doch sicher Frieden? Vor allem Konstantinopel kann sich keinen neuen Krieg leisten – aber genau dazu würde es ohne Glaubenseinigkeit kommen, auch wenn man es vielleicht nicht ›Krieg‹ nennen würde.«

    »Wahrscheinlich habt Ihr Recht«, entgegnete Mocenigo mit leiser und betrübter Stimme. »Die meisten vernünftigen Menschen möchten in Frieden leben, aber Kriege wird es immer wieder geben. Wer Menschen dazu bringen will, ihren Glauben zu ändern, muss sie von etwas Besserem überzeugen und darf ihnen nicht drohen, sie zu vernichten, wenn sie sich weigern.«
    Giuliano sah ihn unverwandt an. »Sehen das die Menschen hier so?«
    »Ihr etwa nicht?«, hielt Mocenigo dagegen.
    Giuliano begriff, dass Mocenigo auf der Seite Konstantinopels und nicht auf der Roms stand. »Denkt Ihr, dass andere Venezianer hier es ebenso halten wie Ihr?«, fragte er. Sogleich kam ihm der Gedanke, dass es möglicherweise zu früh war, eine so offene Frage zu stellen.
    Mocenigo schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht für andere sprechen. Bisher weiß niemand, was es bedeutet, Rom unterworfen zu sein, abgesehen davon, dass es künftig Monate dauern wird, bis wir Antworten auf Anfragen bekommen, und das Geld für den Zehnten das Land verlassen wird, dabei brauchen wir es hier dringend. Wer wird sich künftig um unsere Kirchen kümmern, sie instand halten und ausschmücken? Wird man unsere Priester nach wie vor gut bezahlen, ihnen die Freiheit ihres Gewissens und ihre Würde lassen?«
    »Nun, zu einem Kreuzzug kann es frühestens in drei oder vier Jahren kommen«, überlegte Giuliano laut. »Bis dahin hat sich vielleicht ein gewisses gegenseitiges Verständnis eingestellt, und man sieht, wie viel Bewegungsfreiheit Euch bleibt.«
    Mocenigo lächelte, so dass sein sonst so streng wirkendes Gesicht mit einem Mal aufleuchtete. »Ich habe etwas für
Menschen übrig, die

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