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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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er von Deck aus die Silhouette der Stadt, die auf der Lagune zu schwimmen schien. Byzanz war nur noch eine Erinnerung, etwa so wie die Farben eines Mosaiks
an der Zimmerdecke eines Hauses, das golden schimmerte, aber zu weit entfernt war, als dass man es deutlich hätte sehen können. Von der Vielzahl all dieser winzigen und herrlichen Einzelteile blieb nur ein bestimmter Eindruck in seinem Kopf, und der lag in unerreichbarer Ferne.
    Im Jahre 1275 gelang es Papst Gregor X., den Kaiser Michael Palaiologos von Byzanz und Charles von Anjou, König beider Sizilien, zu einer einjährigen Waffenruhe zu bewegen. Anna erfuhr nie, welchen Anteil der päpstliche Legat in Konstantinopel daran hatte.

KAPİTEL 24
    Giuliano legte im Außenhafen an, von wo er sein Haus aufsuchen wollte, das in der Nähe des Canal Grande lag. Als Erstes würde er sich waschen und umziehen, ein wenig ruhen und dann in einem der Gasthäuser eine ordentliche Mahlzeit zu sich nehmen – endlich wieder etwas anderes als die eintönige Schiffskost. Anschließend würde er sich beim Dogen melden lassen. Wahrscheinlich würde er eine Weile warten müssen, bis man ihn vorließ.
    Wenige Schritte vom Anleger entfernt hörte er gedämpfte Stimmen, die darüber spekulierten, wer wohl der nächste Doge sein mochte.
    »Ist unser Doge krank?«, fragte er und fasste einen der Männer an der Schulter.
    Dieser wandte sich um und sah Giuliano mitleidig an. »Wohl gerade erst gelandet?«, fragte er. »Ja, mein Freund, das ist er, und man fürchtet, dass er nicht mehr lange lebt.
Sofern Ihr ihm etwas mitzuteilen habt, solltet Ihr das unverzüglich tun.«
    Giuliano dankte ihm und eilte auf der Stelle zum Dogenpalast. Bedrückte Lakaien ersuchten ihn zu warten, bis man ihn rief.
    Während er unter den hohen Fenstern unruhig auf und ab ging, immer zwischen Sonnenschein und Schatten hin und her, hörte er hinter dem Eingangstor gedämpfte Stimmen. Schließlich rief man ihn herein, und ein älterer Mann, der ein schwarzes Wams und Beinlinge trug, gebot ihm mit finsterer Miene, sich kurz zu fassen.
    Im Schlafraum des Dogen hing ein durchdringender Geruch nach Krankheit. Die Pfleger hatten ihm Kissen untergeschoben, so dass er halb aufrecht saß. Seine Augen waren eingesunken, die Wangen fahl.
    »Giuliano«, sagte er. »Tritt näher! Sag mir, was du über Charles von Anjou und die Sizilianer in Erfahrung gebracht hast. Werden sie sich erheben? Was ist mit Byzanz? Und wie steht es um die Venezianer dort? Auf welche Seite werden sie sich schlagen, wenn es zu einer erneuten Invasion kommt? Sag mir die Wahrheit und schone mich nicht, sofern sie bitter sein sollte.«
    Mit einem Lächeln legte Giuliano die Hand auf die dürren Finger des Alten. »Ich hatte nicht die Absicht, Euch zu belügen«, sagte er leise und hoffte, dass die anderen im Raum ihn nicht hören konnten. Auf keinen Fall sollte jemand Zeuge dieser letzten Unterhaltung zwischen ihnen werden, damit beide ohne Scheu sagen konnten, was zu sagen war.
    »Nun?«, fragte Tiepolo.
    So knapp es ihm möglich war, teilte ihm Giuliano mit, wie er Charles von Anjou und die Stimmung der Menschen
in Neapel und Sizilien einschätzte. Tiepolo lächelte schwach. »Du meinst also, dass man die Sizilianer zu einem Aufstand gegen ihn bewegen könnte, wenn die Umstände danach sind?«
    »Auf jeden Fall hassen sie ihn, doch von da bis zum Aufstand ist ein weiter Weg.«
    »Möglich«, sagte Tiepolo mit kaum hörbarer Stimme. »Und jetzt berichte mir über Konstantinopel.«
    »Es hat mir gefallen, und ich habe es verabscheut«, sagte Giuliano.
    »Selbstverständlich«, gab Tiepolo mit schwachem Lächeln zurück. »Was hat dir gefallen, Giuliano?«
    »Die Gedankenfreiheit«, sagte er ohne zu zögern. »Das Gefühl, sich dort an der Stelle zu befinden, wo sich Morgenland und Abendland begegnen. Das Abenteuer des Geistes.«
    Tiepolo nickte. »Gefallen hat dir alles, was so war wie hier in Venedig, während du alles andere wegen deiner Mutter verabscheut hast.« Trotz der Schmerzen, die er litt, lag in seinem Blick Freundlichkeit.
    Giuliano kam auf seinen Auftrag zu sprechen. »Niemand dort wünscht einen Krieg«, sagte er mit Nachdruck. » Weder die Byzantiner noch die Venezianer, die in der Stadt leben – und auch nicht die Genueser, die Juden oder die Mohammedaner. Auch wenn sie einem Kreuzfahrerheer nie und nimmer Widerstand leisten könnten, fürchte ich, dass die meisten kämpfen würden, um ihre Heimat zu schützen und zu sterben, wenn

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