Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
manche in der Mitte der vierspurigen Straße. Wenigstens hatte Logans mit Rostpocken übersäter Dienst-Vauxhall keine allzu großen Probleme mit den Straßenverhältnissen.
Ein Stück weiter vorn konnte er das gelbe Blinklicht eines Streuwagens erkennen, der zwei der Spuren mit Salz und Sand berieselte. Die Fahrer dahinter hielten einen großen Sicherheitsabstand, um sich den Lack nicht allzu sehr zu ruinieren.
»Besser spät als gar nicht.«
»Wie bitte, Sir?«
Der Constable, der ihn chauffierte, war Logan auf den ersten Blick nicht bekannt vorgekommen. Er hätte ja Constable Watson vorgezogen, aber DI Insch hatte davon nichts wissen wollen. Er hatte den neuen Constable als Begleiter für Logan ausgewählt, weil bei ihm die Gefahr geringer war, dass er Logan wegen der Geschichte in der Morgenzeitung nerven würde. Außerdem war Constable Watson heute wieder im Gericht mit ihrem Umkleide-Wichser. Das letzte Mal hatte er gegen Gerald Cleaver ausgesagt; diesmal musste er zu seiner eigenen Verhandlung erscheinen. Es würde wohl eher ein kurzer Prozess werden. Er war schließlich im wahrsten Sinne des Wortes auf frischer Tat ertappt worden. Ein Grinsen im Gesicht und seinen Schwanz in der Hand hatte er sich in der Damen-Umkleidekabine nach Leibeskräften einen abgerubbelt. Rein in den Saal, auf schuldig plädiert, mildernde Umstände, Verurteilung zu soundso vielen Stunden gemeinnütziger Arbeit und rechtzeitig zum Abendessen wieder raus – so würde es ablaufen. Vielleicht würde sie ja nach einem erfolgreichen Prozessausgang eher geneigt sein, sich mit ihm zu unterhalten?
Sie brauchten doppelt so lange wie sonst, um über den Anderson Drive aus der Stadt hinaus und zu Roadkills Hof am Rand von Cults zu gelangen. Das Schneetreiben war so dicht, dass man keine fünfzig Meter weit sehen konnte.
Vor dem Tor zum Hof drängte sich eine Schar von Reportern und Kameraleuten vom Fernsehen; schlotternd und niesend standen sie im Schneegestöber. Zwei Streifenpolizisten, so dick eingemummt, wie es ihnen unter den reflektierenden gelben Schutzjacken nur möglich war, bewachten die Einfahrt und sperrten die Presse aus. Der Schnee, der sich auf ihren Schirmmützen angehäuft hatte, verlieh ihnen ein beinahe weihnachtliches Aussehen. Nur die Mienen unter den Mützen verdarben den Gesamteindruck ein wenig. Die Jungs froren, sie waren mies gelaunt, und sie hatten die Nase voll von den Journalisten, die ihnen ständig mit ihren Mikros im Gesicht herumfuchtelten, ihnen Fragen stellten und sie nicht in ihren angenehm warmen Streifenwagen abtauchen ließen.
Die schmale Zufahrtsstraße war mit Pkws und Transportern verstopft. BBC, Sky News, ITN, CNN – sie waren alle da, und ihre Fernsehscheinwerfer ließen den Schnee in harschem Kontrast zum dunklen Himmel aufleuchten. Die mit ernster Stimme in die Kameras gesprochenen Kommentare wurden abgebrochen, als Logans Wagen auf der Bildfläche erschien. Sofort stürzten sie sich wie die Piranhas auf ihn. Logan, gefangen inmitten des blutgierigen Schwarms, tat genau das, was DI Insch ihm gesagt hatte: Er hielt die Klappe, als sich ihm die Mikros und Kameras durch das offene Fenster entgegenreckten.
»Sergeant, ist es wahr, dass Ihnen die Leitung dieses Falles übertragen wurde?«
»DS McRae! Schauen Sie hierher! Ist Inspector Insch vom Dienst suspendiert worden?«
»Hat Bernard Philips vorher schon einmal getötet?«
»Wussten Sie schon vor der Entdeckung der Leiche, dass er psychisch labil ist?«
Und noch weitere Fragen dieser Art, die aber in der allgemeinen Kakophonie untergingen.
Der Constable lenkte den Wagen vorsichtig durch die Menge, bis direkt vor das verschlossene Tor. Und da hörte Logan die Stimme, auf die er schon gewartet hatte: »Laz! Wurde aber auch langsam Zeit, Mann. Ich frier mir hier den Arsch ab!« Colin Miller, mit rosigen Wangen und knallroter Nase, angetan mit einem dicken schwarzen Mantel, dicken gefütterten Stiefeln und einer Pelzmütze. Sehr russisch.
»Steigen Sie ein.«
Der Reporter kletterte auf den Rücksitz, und ein zweiter, ebenfalls dick vermummter Mann folgte ihm.
Logan drehte sich ruckartig um und zuckte zusammen, als sein Bauch ihn jäh an die Klammern erinnerte, die ihn zusammenhielten.
»Laz, das ist Jerry. Er ist mein Fotograf.«
Der Fotograf schälte eine Hand aus einem dicken Fäustling und hielt sie Logan zur Begrüßung hin.
Logan ignorierte sie. »Tut mir Leid, Jerry, aber das hier ist ein Ein-Mann-Deal. Für die Story werden
Weitere Kostenlose Bücher