Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
gefunden haben?«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Klick . Der Händetrockner verstummte.
»Hab ich doch schon gesagt – das war keine große Kunst. Sie haben ’n totes Kind gefunden. Wer hätte das denn sonst sein sollen?«
»Wir haben niemandem gesagt, dass es sich bei der Leiche um ein Kind handelte!«
»Nicht? Ach, dann muss es wohl purer Zufall gewesen sein.«
Logans Miene verdüsterte sich. »Wer hat es Ihnen gesagt?«
Miller lächelte und straffte mit einer geübten Bewegung die Schultern, sodass an beiden Jackenärmeln genau die vorschriftsmäßigen drei Zentimeter gestärkte weiße Manschette hervorlugten.
»Noch nie was von journalistischer Immunität gehört? Ich bin nicht verpflichtet, meine Quellen offen zu legen. Und Sie können mich nicht dazu zwingen!« Er machte eine Pause. »Allerdings, wenn Ihre leckere kleine Assistentin die Mata Hari spielen will, würde ich mich vielleicht erweichen lassen … Wer kann schon einer Frau in Uniform widerstehen?«
Watson knurrte gereizt und zückte ihren zusammenlegbaren Schlagstock.
Plötzlich flog die Tür der Herrentoilette auf, und die aufgestaute Spannung zerplatzte wie ein Luftballon. Eine füllige Frau mit wild wuchernden braunen Locken stürmte herein. Sie stemmte die Hände in die Hüften, und ihre Augen sprühten Funken. »Was zum Teufel geht hier vor?«, rief sie und schoss Logan und Watson finstere Blicke zu. »Die halbe Redaktion läuft da draußen mit voll gepinkeltem Hosenlatz rum.« Sie knöpfte sich Miller vor, ehe irgendjemand etwas erwidern konnte. »Und was zum Teufel machen Sie eigentlich noch hier? In einer halben Stunde gibt es eine Pressekonferenz zu dem toten Kind! Die Revolverblätter werden sich wie die Geier auf die Sache stürzen. Das ist unsere Story, verdammt noch mal, und ich will, dass das auch so bleibt!«
»Wir haben ein paar Fragen an Mr. Miller im Zusammenhang mit dem Fall«, sagte Logan. »Ich möchte wissen, wer ihm gesagt hat, dass wir die Leiche …«
»Werden Sie ihn verhaften?«
Logan zögerte nur eine Sekunde, aber das genügte.
»Hätte mich auch gewundert.« Sie fuchtelte mit dem Zeigefinger vor Millers Gesicht herum. »Sie! Sehen Sie zu, dass Sie in die Gänge kommen! Ich bezahle Sie nicht dafür, dass Sie Polizistinnen auf dem Klo anbaggern!«
Er machte einen Schritt in Richtung Tür, doch Constable Watson versperrte ihm den Weg. »Sir?« Sie befingerte ihren Schlagstock, ganz wild auf einen Anlass, ihn an Millers Kopf auszuprobieren.
Logans Blick ging von dem blasierten Journalisten zu Watson und wieder zurück. »Lassen Sie ihn laufen«, sagte er schließlich. »Wir unterhalten uns noch, Mr. Miller.«
Der Journalist grinste. »Worauf Sie einen lassen können.« Er formte die rechte Hand zu einer Pistole und feuerte sie auf Watson ab. »See you later, Investigator.«
Glücklicherweise gab sie keine Antwort.
Draußen auf dem Parkplatz stapfte Watson durch den Regen auf ihren Vauxhall zu, riss die Tür auf, feuerte ihre Mütze auf den Rücksitz, ließ sich auf den Fahrersitz plumpsen, knallte die Tür zu und fluchte.
Logan musste zugeben, dass sie nicht ganz Unrecht hatte. Miller würde niemals freiwillig seine Quelle verraten. Und seine Chefredakteurin, dieser braun gelockte Drachen, hatte in einer zehnminütigen Tirade mehr als deutlich gemacht, dass sie ihn ganz bestimmt nicht dazu auffordern würde, sie zu verraten. Das war ungefähr so unwahrscheinlich wie ein schottischer Meistertitel für den FC Aberdeen.
Ein Klopfen am Beifahrerfenster ließ Logan zusammenfahren. Ein breites, lächelndes Gesicht strahlte ihn aus dem Regen an. Der Mann hielt sich den Evening Express über den Kopf, damit die dünnen Alibisträhnen auf seiner Glatze nicht nass wurden. Es war der Reporter, der ihnen »nicht« verraten hatte, dass der widerwärtige Mr. Miller sich auf dem Herrenklo versteckt hielt.
»Sie sind Logan McRae!«, sagte der Mann. »Seh’n Sie? Ich wusste doch, dass ich Sie irgendwoher kenne!«
»Ach ja?« Logan drückte sich in seinen Sitz.
Der Mann mit der ausgebeulten braunen Cordhose nickte begeistert. »Ich hab da mal ’ne Story geschrieben, wie lang ist das jetzt her – ein Jahr? ›Mutiger Polizeiheld bei dramatischem Duell von Mastrick-Monster niedergestochen!‹« Er grinste. »Mann, das war ’ne verdammt gute Story. Nur schade, dass ›Mutiger Polizeiheld‹ keinen Stabreim ergibt …« Ein bedauerndes Achselzucken. Dann streckte er die Hand durch das offene
Weitere Kostenlose Bücher