Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
Tochter dachte, dass er versuchte, die beiden Bilder mit aller Macht auseinander zu halten.
Endlich straffte DI Insch die Schultern. Die dunklen Augen in seinem runden Gesicht blitzten zornig. »Wir werden dieses Schwein an den Eiern an die Wand nageln.«
»Aber was ist mit der Kopfverletzung? Wenn sie gefallen ist, dann war es ein Unfall …«
»Dann kriegen wir ihn immer noch dran wegen Verheimlichung eines Todesfalls, wegen der Beseitigung der Leiche, wegen versuchter Irreführung der Justiz und vielleicht sogar wegen Mordes. Falls wir die Geschworenen davon überzeugen können, dass er sie gestoßen hat.«
»Glauben Sie, dass die darauf eingehen werden?«
Insch zuckte mit den Achseln und nippte misstrauisch an seinem Milchkaffee mit extra Zucker. »Nein. Aber einen Versuch ist es wert. Der einzige Wermutstropfen sind die fehlenden Ergebnisse der Spurensicherung. Bis jetzt gibt’s keinerlei Hinweise darauf, dass das Mädchen je in Chalmers’ Wohnung war. Und dabei ist es nicht so, als wäre da in jüngster Zeit mal sauber gemacht worden – das Schlafzimmer war der reinste Saustall. Chalmers sagt, er hat keine Ahnung, wer das Mädchen ist. Hat sie angeblich noch nie gesehen.«
»Na so was, welche Überraschung. Was sagt denn Sandy die Schlange?«
Insch schickte einen finsteren Blick in die Richtung des Vernehmungsraums. »Was dieser schäbige kleine Scheißkerl immer sagt«, antwortete er und tupfte sich den Schweiß von den Schläfen. »Dass wir keine Beweise haben.«
»Was ist mit dem Kassenbon?«
»Bestenfalls ein Indizienbeweis. Er sagt, das Mädchen könnte auch in den Sack gesteckt worden sein, nachdem dieser Chalmers’ Wohnung bereits verlassen hatte.« Er seufzte. »Und damit hat das Arschloch sogar Recht. Wenn wir keine handfesten Beweise auftreiben können, die Chalmers mit dem toten Mädchen in Verbindung bringen, sehen wir ziemlich alt aus. Der schleimige Widerling wird uns in der Luft zerreißen. Immer vorausgesetzt, der Staatsanwalt lässt es überhaupt auf einen Prozess ankommen. Was eher unwahrscheinlich ist, solange wir nichts Konkretes …« Er blickte von seinem Kaffee auf. »Ich nehme ja nicht an, dass das Klebeband, mit dem sie umwickelt war, voll mit seinen Fingerabdrücken war?«
»Tut mir Leid, Sir – alles abgewischt.«
Das stimmte doch hinten und vorne nicht. Wieso sollte sich jemand die Mühe machen, alle Fingerabdrücke auf dem Klebeband zu beseitigen, um dann die Leiche einfach zusammen mit seinem eigenen Abfall in einen Müllsack zu stecken?
»Tja«, meinte Insch, richtete sich auf und starrte den Flur hinunter in Richtung von Vernehmungsraum 3. »Ich nehme an, wir müssen ganz einfach das Fehlen jeglicher konkreter Beweise ignorieren und Mr. Chalmers so lange wie möglich festhalten. Aber ich muss gestehen, ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache. Ich glaube nicht, dass wir ihm etwas anhängen können …« Er blieb stehen und zuckte die Achseln. »Aber man muss auch das Positive sehen – es verdirbt Sandy der Schlange die Show. Ihm entgeht die Gelegenheit, sich vor den Geschworenen zu produzieren.«
»Vielleicht würde ihm ja eine weitere Morddrohung ein bisschen über die Enttäuschung hinweghelfen?«
Insch lächelte. »Ich seh mal, was sich machen lässt.«
Gegen Norman Chalmers wurde Haftbefehl erlassen; er wurde in seine Zelle zurückgeschickt, um zum nächstmöglichen Termin dem Richter vorgeführt zu werden. Sandy Moir-Farquharson ging zurück in seine Kanzlei, DI Insch ging zu seiner Generalprobe. Logan und Constable Watson gingen ins Pub.
Das Archibald Simpson’s war in seinem früheren Leben eine Bank gewesen; aus der großen Schalterhalle war der Schankraum des Pubs geworden. Die reich verzierten Deckenrosetten und die hohen Gesimse waren im dichten Tabakdunst nur verschwommen zu erkennen, doch die Gäste waren ohnehin mehr an billigem Bier als an architektonischen Details interessiert.
Das Pub war nur zwei Gehminuten vom Präsidium entfernt und daher als Treffpunkt für Polizisten nach Dienstschluss äußerst beliebt. Die Mitglieder des Suchtrupps waren fast vollzählig versammelt. Sie waren den ganzen Tag im strömenden Regen auf Achse gewesen; die einen hatten das schlammige Ufer des Don nach Spuren abgesucht, die anderen hatten nach Richard Erskine gefahndet. Heute hatten sie ein vermisstes Kind gesucht – morgen würden sie nach einer Leiche suchen. Jeder kannte die Statistik: Wenn ein entführtes Kind nicht binnen sechs Stunden gefunden
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