Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
Gehsteigen auftrafen. Doch die Luft roch nach Schnee. Sie hatte diesen metallischen Geschmack, der stets größere Mengen der weißen Pracht ankündigte.
Die Morgenausgabe der Press and Journal war auf Logans Fußabstreifer gelandet wie ein umgestürzter Grabstein. Nur dass es diesmal nicht seine eigene Beerdigung war. Bloß seine Schuld. Ganz oben auf der Titelseite prangte ein großes Foto von Detective Inspector Insch im Räuber-Kostüm aus dem Märchenspiel. Es war eines der Werbefotos der Truppe, und Insch hatte sich große Mühe gegeben, ganz besonders grimmig dreinzuschauen. » Inspector spielt den Narren, während unsere Kinder sterben «, lautete die Schlagzeile.
»O Gott.«
Unter dem Foto stand: »Ist eine Märchenklamotte wirklich wichtiger als die Jagd nach dem pädophilen Mörder, der unsere Straßen unsicher macht?«
Colin Miller hatte wieder zugeschlagen.
Logan stand an der Spüle und las, dass der Inspector »auf der Bühne herumgehopst war wie ein Idiot, während unser Polizeiheld Logan McRae sich auf die Suche nach dem kleinen Richard Erskine machte«. Und das waren noch die freundlichsten Sätze im ganzen Artikel. Miller hatte DI Insch nach allen Regeln der Kunst abgeschlachtet. Er hatte einen angesehenen Polizeibeamten des gehobenen Dienstes als gefühlloses Schwein dargestellt. Er zitierte sogar den Chief Superintendent mit den Worten, dies sei »eine sehr ernste Angelegenheit, die gründlich untersucht werden« müsse.
»O Gott.«
Die Meldung » Städtischer Arbeiter von besorgten Eltern angegriffen « hatte es mit knapper Not auf Seite zwei geschafft.
Bei der morgendlichen Einsatzbesprechung war Insch äußerst mieser Laune, und alle gaben sich größte Mühe, nur ja nichts zu tun oder zu sagen, was ihn zur Explosion bringen könnte. An einem Tag wie diesem machte man besser keine Fehler.
Nach der Besprechung begab Logan sich auf dem schnellsten Weg in sein kleines Soko-Büro, wobei er sich bemühte, nicht allzu schuldbewusst auszusehen. Heute hatte er nur eine Mitarbeiterin an seiner Seite – die Polizistin, die für ihn Telefondienst machte. Alle anderen verfügbaren Kräfte würden den Tag mit der Suche nach dem kleinen Peter Lumley verbringen. Jemand hatte Insch eine brennende Rakete in den Hintern gesteckt, und er war entschlossen, alle anderen an dem Gefühl teilhaben zu lassen. Und so blieb Logan allein mit seiner Polizistin und der Liste der möglichen Namen.
Das Team, das in seinem Auftrag die Liste der laut Jugendamt »gefährdeten« Kinder abgearbeitet hatte, war mit leeren Händen zurückgekommen. Die kleinen Mädchen waren alle genau da, wo sie sein sollten. Ein paar von ihnen waren »gegen die Tür gerannt« oder »die Treppe hinuntergefallen, nachdem sie sich am Bügeleisen verbrannt hatten«, aber sie waren alle noch am Leben. Einige der Eltern mussten nun mit einer Anzeige rechnen.
Aber das war längst nicht Logans einzige Sorge. Seine Unterstützung für DI Steel im Fall Geordie Stephenson sah offenbar so aus, dass DI Steel Unmengen von Zigaretten rauchte, während Logan die ganze Arbeit machte.
An der Wand hing ein neuer Stadtplan von Aberdeen, diesmal bedeckt mit kleinen blauen und grünen Stecknadeln, die sämtliche Wettbüros der Stadt markierten. Die blauen waren die »Unbedenklichen« – nicht die Sorte von Laden, wo sie einem die Kniescheiben abmontierten, wenn man nicht zahlte. Die grünen gehörten zur Kniescheiben-Kategorie. Rot gekennzeichnet war das Turf ’n Track, ebenso das Hafenbecken, aus dem sie die Leiche gefischt hatten. Und daneben hing ein Porträt von Geordie Stephenson, aufgenommen in der Gerichtsmedizin.
Er war keine sehr attraktive Erscheinung. Schon gar nicht jetzt, da er tot war. Die Fönfrisur war ruiniert, die Haare platt an den Schädel geklatscht, und der Pornostar-Schnurrbart hob sich dick und schwarz von der wachsbleichen Haut ab. Es war merkwürdig, aber wenn Logan das Bild so betrachtete, hatte er das deutliche Gefühl, den Mann irgendwo schon einmal gesehen zu haben.
Den Informationen zufolge, die ihnen die Lothian and Borders Police geschickt hatte, war Geordie Stephenson schon in jungen Jahren eine höchst interessante Persönlichkeit gewesen. Vorwiegend Körperverletzung, aber auch ein wenig Inkassodienste für kleine Kredithaie. Einbrüche. Erst seit er für Malk the Knife tätig geworden war, hatte er sich nicht mehr erwischen lassen. Malk legte größten Wert darauf, dass seine Mitarbeiter nicht im Knast
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