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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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in den Mund und kaute nachdenklich darauf herum. »Na ja, seine Aussage hat Hand und Fuß. Der Fahrer des städtischen Kleinbusses lässt ihn jeden Tag nach Feierabend an derselben Stelle aussteigen, so gegen vier Uhr. Seit Jahren machen sie das schon so. Dann nimmt er den 422er-Bus nach Peterculter, zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. War nicht schwer, einen Busfahrer zu finden, der sich an ihn erinnert. Den Gestank vergisst man nicht so schnell.«
    »Und die Bushaltestelle ist …«
    »Direkt vor der Garthdee-Grundschule. Wie’s scheint, ist er dort zur Schule gegangen, damals, als er noch richtig im Kopf war. Gibt ihm vermutlich Sicherheit, wenn er an den alten Gewohnheiten festhält.«
    »Und hat sich irgendjemand von unseren ›besorgten Eltern‹ die Mühe gemacht, ihn zu fragen, warum er an dem betreffenden Nachmittag dort war?«
    Insch schnaubte und nahm sich noch eine Pastille. »Von wegen. Sie haben nur einen zerlumpten Typen gesehen, der komisch roch und sich vor der Schule rumtrieb, und haben beschlossen, ihn mal eben windelweich zu prügeln. Er ist nicht unser Mörder.«
    Und so bequemten sie sich wieder in den miefenden Vernehmungsraum.
    »Sind Sie sicher, dass es nichts gibt, was Sie uns gerne erzählen würden, Mr. Philips?«, fragte Insch, während er wieder auf seinem Stuhl Platz nahm.
    Offenbar gab es nichts.
    »Na schön«, sagte der Inspector. »Nun, es wird Sie freuen zu hören, dass wir Ihre Version der Ereignisse überprüft haben und sie bestätigen können. Ich weiß, dass Sie derjenige sind, der angegriffen wurde, aber wir mussten uns zunächst vergewissern, dass die Anschuldigungen gegen Sie grundlos waren, okay?«
    Falt, falt, falt.
    »Okay. Ich habe bei der Stadtverwaltung darum gebeten, dass Sie von jetzt an nach der Arbeit an einer anderen Stelle abgesetzt werden. Ein Stück weiter die Straße entlang. Weit genug weg von der Schule. Die Leute, die Sie angegriffen haben, sind nicht besonders klug. Sie könnten auf die Idee kommen, es noch einmal zu versuchen.«
    Schweigen.
    »Wir haben ihre Namen.« Das war nicht sehr schwer gewesen – die Trottel hatten sich voller Stolz freiwillig ausgewiesen! Sie hatten schließlich einen gefährlichen Pädophilen unschädlich gemacht! Sie hatten ihre Kinder vor einem furchtbaren Schicksal bewahrt! Dass sie gerade vorsätzliche Körperverletzung begangen hatten, schien ihnen überhaupt nicht in den Sinn zu kommen. »Ich möchte, dass Sie eine Aussage machen, damit wir Strafantrag stellen können.«
    Logan erkannte sein Stichwort und zückte einen Notizblock, um Roadkills Beschwerde zu Protokoll zu nehmen.
    Falt, falt, falt.
    Vom ständigen Zusammen- und Auseinanderfalten waren die Falzlinien des Blattes schon ganz brüchig geworden. Ein perfekt geformtes Quadrat begann sich von einer Ecke abzulösen, und Roadkill starrte es finster an.
    »Mr. Philips? Können Sie mir sagen, was passiert ist?«
    Vorsichtig zupfte der verprügelte Mann das Papierquadrat ab und legte es vor sich auf den Tisch. Die Seiten waren exakt an den Tischkanten ausgerichtet.
    Und dann fing er wieder mit dem Falten an.
    Insch seufzte.
    »Okay. Wie wär’s, wenn der Sergeant hier aufschreibt, was passiert ist, und Sie es nur unterschreiben? Würde Ihnen das die Sache erleichtern?«
    »Ich brauche meine Medizin.«
    »Wie bitte?«
    »Medizin. Es ist Zeit für meine Medizin.«
    Insch sah Logan an. Logan zuckte die Achseln. »Vermutlich haben sie ihm im Krankenhaus Schmerztabletten gegeben.«
    Roadkill hielt im Papierfalten inne und legte beide Hände auf den Tisch. »Keine Schmerztabletten. Medizin. Ich muss meine Medizin nehmen. Sonst lassen sie mich morgen früh nicht zur Arbeit gehen. Sie haben mir einen Brief geschrieben. Ich muss meine Medizin nehmen, sonst darf ich nicht zur Arbeit gehen.«
    »Es wird nur ein paar Minuten dauern, Mr. Philips. Vielleicht …«
    »Keine Aussage. Keine Minuten. Medizin.«
    »Aber …«
    »Wenn Sie mich nicht verhaften oder Anzeige gegen mich erstatten, bin ich ein freier Mann und kann gehen. Sie können mich nicht zwingen, Strafantrag zu stellen.«
    Es war das Vernünftigste, was Logan bislang aus Roadkills Mund gehört hatte.
    Roadkill schüttelte sich und schlang die Arme um sich. »Bitte. Ich will nur nach Hause gehen und meine Medizin nehmen.«
    Logan betrachtete die lädierte, abgerissene Gestalt und legte seinen Stift weg. Roadkill hatte Recht: Sie konnten ihn nicht zwingen, Strafantrag gegen diejenigen zu stellen, die ihm ein blaues

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