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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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Auge, eine aufgesprungene Lippe, drei lockere Zähne, eine angeknackste Rippe und mehrere Tritte ins Gemächt verpasst hatten. Schließlich war es sein Gemächt. Wenn er nicht wollte, dass die Leute, die ihn dorthin traten, bestraft wurden, war das seine Entscheidung. Aber die Grampian Police hatte auch nicht die Absicht, ihn einfach so laufen zu lassen. Diese Idioten waren wahrscheinlich immer noch da draußen. Und inzwischen dürfte die Presse sich zu ihnen gesellt haben. » Wütender Mob schnappt sich Sittenstrolch !« Nein, »Mob« klang zu negativ. Diese gewalttätigen, bornierten Menschen waren ja schließlich Helden. » Eltern stellen pädophilen städtischen Arbeiter !« Ja, das traf es schon eher.
    »Sind Sie sich ganz sicher, Mr. Philips?«, fragte Insch.
    Roadkill nickte nur.
    »Okay. Nun, wenn das so ist, dann bekommen Sie jetzt Ihre persönlichen Gegenstände ausgehändigt, und dann fährt DS McRae Sie nach Hause.«
    Logan fluchte fast unhörbar. Der Sozialarbeiter strahlte, heilfroh, dass dieser Kelch an ihm vorübergegangen war. Bis über beide Ohren grinsend schüttelte er Logan die Hand und sah zu, dass er Land gewann.
    Während Bernard Duncan Philips für den Inhalt seiner Taschen unterschrieb, versuchte Insch, Logan ein Friedensangebot in Form einer Fruchtpastille zu machen. Es würde halb acht, acht Uhr werden, bis er wieder in der Stadt war. Er musste Jackie sagen, dass er sich verspäten würde. Wenn er Glück hätte, würde sie auf ihn warten, aber nach dem, was er sich heute Nachmittag geleistet hatte, war das alles andere als sicher.
    »Also ist er definitiv nicht unser Mann?«, fragte Logan, während er das Bonbon widerstrebend annahm.
    »Nee. Nur ein armer, ungewaschener Spinner.«
    Sie standen da und sahen zu, wie die geprügelte und mit blauen Flecken übersäte Gestalt sich unter Schmerzen bückte, um die Schnürsenkel wieder einzufädeln.
    »Tja«, sagte Insch, »ich muss jetzt jedenfalls los. In anderthalb Stunden heißt’s wieder ›Vorhang auf‹.« Er gab Logan einen Klaps auf die Schulter und machte auf dem Absatz kehrt, die Ouvertüre seines Märchenspiels auf den Lippen.
    »Hals- und Beinbruch«, sagte Logan zum Rücken des davongehenden Inspectors.
    »Danke, Sergeant.« Insch winkte ihm vergnügt zu, ohne sich umzudrehen.
    »Nein, im Ernst«, murmelte Logan. »Ich hoffe, du fällst hin und brichst dir dein verdammtes Bein. Oder den Hals.« Aber da hatte Insch schon die Tür zugemacht und war außer Hörweite.
    Als Roadkill endlich wieder mit seinen persönlichen Gegenständen vereint war, rang Logan sich ein Lächeln ab und eskortierte ihn zum Parkplatz hinter dem Gebäude. Ein aufgeregt wirkender Constable fing sie ab, als Logan wieder einmal für einen Wagen aus dem Fuhrpark unterschrieb. »Der Wachhabende sagt, Sie hätten wieder zwei Nachrichten von einem Mr. Lumley.«
    Logan stöhnte. Damit hätte sich eigentlich die für die Lumleys zuständige Vertrauensbeamtin herumschlagen sollen. Er hatte so schon genug am Hals. Aber fast im gleichen Moment meldete sich sein Gewissen. Schließlich war der Sohn des armen Kerls verschwunden. Das Mindeste, was er tun konnte, war, den Mann zurückzurufen. Er rieb sich die Augen, hinter denen sich schon wieder Kopfschmerzen ankündigten.
    »Sagen Sie ihm, ich kümmere mich drum, sobald ich zurück bin, ja?«
    Sie nahmen den Hinterausgang. Die Vorderseite des Präsidiums war hell erleuchtet; die Scheinwerfer der Fernsehcrews ließen alle Konturen scharf hervortreten. Es waren Dutzende. Noch heute Abend würde Roadkills Gesicht im ganzen Land zu sehen sein. Und dabei spielte es keine Rolle, ob er unschuldig war oder nicht – morgen früh würde die halbe Nation seinen Namen kennen.
    »Wissen Sie, es wäre vielleicht keine schlechte Idee, wenn Sie ein paar Wochen Urlaub nehmen würden. Bis diese Idioten die Sache vergessen haben, hm?«
    Roadkill hielt den Sicherheitsgurt mit beiden Händen umklammert und zog alle sechs Sekunden leicht daran, um sich zu vergewissern, dass er noch funktionierte. »Muss arbeiten. Ohne Arbeit hat der Mensch keinen Lebenszweck. Die Arbeit definiert uns. Ohne Definition existieren wir nicht.«
    Logan zog eine Augenbraue hoch. »Okay …« Der Mann war nicht bloß schizophren – er war verrückt.
    »Sie sagen zu oft ›okay‹.«
    Logan machte den Mund auf, überlegte es sich noch einmal und klappte ihn wieder zu. Es hatte keinen Sinn, mit einem Verrückten zu diskutieren. Wenn er das wollte, musste er nur nach

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