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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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Hause fahren und mit seiner Mutter reden. So chauffierte er Roadkill stattdessen durch den nachlassenden Regen. Als sie seinen kleinen Bauernhof am Ortsrand von Cults erreichten, hatte es ganz aufgehört.
    Logan fuhr so weit, wie die Straße reichte. Das Räumkommando der Stadt hatte den ganzen Tag über schwer geschuftet. Im Scheinwerferlicht tauchten zwei große metallene Müllcontainer auf, jeder so groß wie ein Minibus und mit gelber Farbe gestrichen, die an vielen Stellen zerkratzt war und abblätterte. Mächtige Vorhängeschlösser sicherten die Türen der Container, die im wuchernden Gras vor Gebäude Nummer eins standen – als ob irgendwer versuchen könnte, sie zu knacken, um an die verwesenden Tierleichen heranzukommen.
    Logan hörte ein leises Schluchzen an seiner Seite und begriff, dass das mit den Vorhängeschlössern wohl doch keine so schlechte Idee war.
    »Meine schönen, schönen toten Geschöpfe …« Tränen strömten über Roadkills übel zugerichtetes Gesicht und sickerten in seinen Bart.
    »Sie haben nicht mitgeholfen?«, fragte Logan und deutete auf die Container.
    Roadkill schüttelte den Kopf, wobei seine langen Haare hin und her schwangen wie ein Trauerschleier. Seine Stimme war leise und gequält.
    »Wie käme ich dazu, den Westgoten bei der Plünderung Roms zu helfen?«
    Er stieg aus und schritt über das niedergetrampelte Gras und Unkraut auf das Gebäude zu. Das Tor stand offen, und im Lichtkegel der Scheinwerfer konnte Logan den blanken Betonboden erkennen. Die Berge von toten Tieren waren verschwunden. Ein Gebäude geräumt, noch zwei übrig.
    Logan ließ den leise schluchzenden Mann vor der leeren Scheune stehen.

19
    Der Abend verlief nicht ganz so, wie Logan es geplant hatte. Constable Jackie Watson war noch im Pub, als er endlich dort eintraf, doch sie hatte seinen Anschiss offenbar noch nicht verwunden. Oder lag es daran, dass er immer noch einen Hauch von Roadkill ausströmte, obwohl er während der gesamten Rückfahrt alle Fenster heruntergedreht hatte? »Oh, wie dein Gestank mir folgt auf Schritt und Tritt …« Was immer der Grund war, jedenfalls redete sie die meiste Zeit mit Simon Rennie, dem Arschloch, und einer Kollegin, die Logan nicht kannte. Niemand war unfreundlich zu ihm, aber sie rissen sich auch nicht gerade darum, ihm das Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Das sollte doch eine Freudenfeier sein! Er hatte Richard Erskine gefunden. Lebend!
    Schon nach dem zweiten Bier brach Logan auf und schlich schmollend nach Hause, wobei er kurz an der nächsten Imbissbude Station machte.
    Er sah den schwarzen Mercedes nicht, der vor seinem Haus im Schein der Straßenlaterne lauerte. Er sah auch nicht den stämmigen Mann, der auf der Fahrerseite ausstieg und sich ein Paar schwarze Lederhandschuhe überstreifte. Er sah und hörte nicht, wie der Mann seine Fingerknöchel knacken ließ, während Logan seine rapide abkühlende Portion Fish & Chips auf einer Hand balancierte und mit der anderen nach seinen Schlüsseln fahndete.
    »Sie haben nicht angerufen.«
    Logan hätte fast sein Essen fallen lassen.
    Er wirbelte herum und sah Colin Miller mit verschränkten Armen dastehen, lässig an ein sehr teuer aussehendes Automobil gelehnt. »Sie sollten mich bis vier Uhr anrufen. Das haben Sie nicht getan.«
    Logan stöhnte. Er hatte mit DI Insch reden wollen, aber irgendwie war er nicht mehr dazu gekommen. »Ja, wissen Sie«, brachte er schließlich hervor, »ich habe mit dem DI gesprochen … Er war der Ansicht, es sei der Sache nicht dienlich.« Es war eine schamlose Lüge, aber das konnte Miller nicht wissen. Wenigstens würde es sich so anhören, als ob er es versucht hätte.
    »Nicht dienlich?«
    »Er glaubt, dass wir in der letzten Woche schon mehr als genug Publicity hatten.« Wenn schon lügen, dann aber richtig. »Sie wissen ja, wie das ist …« Er zuckte die Achseln.
    »Nicht dienlich?« Miller zog ein finsteres Gesicht. »Ich werd ihm zeigen, was seiner verdammten Sache nicht dienlich ist.« Er zückte seinen Palmtop und kritzelte etwas darauf.
    Der nächste Tag begann mit einer Serie von rund einem Dutzend Verkehrsunfällen. Keiner davon verlief tödlich, aber für alle wurden die zwei bis drei Zentimeter Schnee verantwortlich gemacht, die über Nacht gefallen waren. Um halb neun war der Himmel dunkelgrau und so tief, dass man die Wolken hätte berühren können. Winzige weiße Flöckchen senkten sich auf die Granitstadt herab und schmolzen, sobald sie auf den Straßen und

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