Die Durchschnittsfalle (German Edition)
Sinn hat, wenn die Frage mit Sicherheit schon beantwortet ist, wenn man also sicher weiß, woher der Ball kommt. Ja, dann würde man den Kindern raten, sich doch alle auf eine Stelle, die richtige Stelle, zu stellen. Aber die Realität, das wirkliche Leben sieht eben so aus, wie unser Beispiel es beschreibt: Wir wissen nicht, woher der Ball kommt.
Ein tatsächliche Lösung für unser Problem haben wir nicht und können wir auch nicht haben. Sicherheiten gibt es in diesen Fällen leider keine. Aber unsere Chancen steigen enorm, wenn wir Individualität in unserem System haben. Die Chancen der Kinder, dass zumindest eines von ihnen den Ball fängt, steigen dadurch, dass sich alle an verschiedenen Stellen im Turnsaal aufstellen. Sie werden umso eher erfolgreich sein, je mehr sie darauf achten, dass nicht einmal zwei an der gleichen Stelle stehen. Wir brauchen jeden Einzelnen, jedes einzelne Kind, zur Lösung dieses Problems. Aber jedes möglichst individuell. Warum die Politik, das Bildungssystem, ja leider auch oft die Eltern selbst unseren Kindern ständig den Ratschlag geben, sich doch dem Durchschnitt anzupassen, kann man einfach nicht verstehen (ich komme darauf noch zurück).
Wenn alle verschieden sind, fällt keiner mehr auf
So glasklar das doch eigentlich ist, so unverständlich ist mir doch, wie wenig beliebt es heute zu sein scheint, aus der Masse herauszuragen, gegen den Strom zu schwimmen oder vom „Mainstream“ abzuweichen. Selbst möchte man nicht unbedingt der Einzige sein, der es anders macht als alle anderen. Man will eingehen als Tropfen in das Meer der Sicherheit, nicht auffallen zu müssen. Wer nicht ganz vorne ist, wer nicht ganz hinten ist, kann vom Ball nicht getroffen werden. Auffallen ist immer mit Angst verbunden. Wer einen neuen Weg gehen will, muss den alten verlassen! Ja schon, aber was, wenn ich den falschen Weg gehe und dafür nachher kritisiert oder noch schlimmer ausgelacht werde?
Die Evolution basiert darauf und die Geschichte hat es uns ja auch bewiesen. Wir brauchen „Abweichler“ wie Albert Einstein, wir benötigen „Auffaller“ wie Sigmund Freud. Sonst bleibt alles beim Alten. Sonst herrscht kompletter Stillstand. Der Durchschnitt bedeutet Stillstand, so bequem er uns auch manchmal vorkommen mag. Johann Wolfgang von Goethe sagte: „Das Außergewöhnliche geschieht nicht auf glattem gewöhnlichen Wege.“ Ja, aber wenn wir mit dem jetzigen Durchschnitt zufrieden sind? Die große Gefahr ist nicht das Heute. Die Gefahr liegt in der Zukunft. Die Individualität einzubüßen bedeutet, die Zukunft zu verlieren! Es geht um Leben und Tod und nicht um Bequemlichkeiten. Uns werden die Antworten fehlen, ob auf Probleme aus der Zukunft, die der Zufall bringt, oder ob auf Probleme aus der Zukunft, die wir selbst gerade jetzt schon (wahrscheinlich ohne es zu wissen) verursachen oder auslösen. Niemand will der „Abweichler von der Norm“ selbst sein. Niemand will solche „Abweichler“ als Kinder, als Schüler, als Studenten oder als Mitarbeiter. Die bereiten Probleme, sind heute nicht unbedingt gut fürs Geschäft, fragen zu viel. Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen? Wieso haben wir solche Angst davor, aufzufallen, abzuweichen und suhlen uns viel lieber in den Ausscheidungen des Durchschnitts?
Die Tatsache, dass wir schon geraume Zeit den Durchschnitt anstreben und uns auf ihn verlassen, hat dazu geführt, dass Menschen, die Neuland betreten, mehr als je zuvor auffallen. Wenn wir endlich alle das höchste Maß an Individualität anstreben, gibt es keine Angst mehr vor den Konsequenzen des Abweichens von der Norm, weil Abweichen zur Norm wird. Anderssein darf nicht die Ausnahme, sondern muss zur Regel werden. Zur Bewältigung der großen Aufgaben der Zukunft ist das unsere einzige Chance.
Jeder ist genetisch individuell, auch Sarrazin
Immer wieder bekomme ich an diesem Punkt meiner Argumentation zu hören: „Schön und gut. Individualität ist äußerst wichtig. Aber nicht um jeden Preis! Ich habe da einen in meinem Betrieb, in meiner Klasse, in meinem Ort, bei dem bin ich mir ganz sicher, den braucht bestimmt keiner! Individualität hin oder her, den benötigen wir heute nicht, und so sehr kann sich die Umwelt gar nicht ändern, so eigenwillig können die Fragen der Zukunft gar nicht sein, dass man den jemals brauchen könnte. So viele Kaugummis können in unserer Pfütze gar nicht auftauchen, dass der jemals einen Sinn haben könnte!“
Es bleibt mir nicht erspart,
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