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Die Durchschnittsfalle (German Edition)

Die Durchschnittsfalle (German Edition)

Titel: Die Durchschnittsfalle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Hengstschläger
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verschiedensten anderen Molekülen eingehen kann. Die DNA liegt sozusagen nicht nackt vor. Die für die Nervenzelle, Hautzelle, Muskelzelle und alle anderen Zelltypen unseres Körpers spezifischen Ein- und Ausschaltmuster (die man auch Genexpressionsmuster nennt) bilden sich während der Zelldifferenzierung, also etwa während der Entstehung der verschiedenen Zelltypen aus Vorläuferzellen. Wenn die Hautzelle einmal eine Hautzelle ist und ihre DNA das entsprechende chemische Muster (das entsprechende Kleid) hat, so kann nach ihrer Zellteilung dieses Muster von der Mutterzelle auf die beiden Tochterzellen weitergegeben, „vererbt“ werden. Dadurch wissen die Tochterzellen wieder, dass sie Hautzellen sind. Verantwortlich dafür sind eben epigenetische Mechanismen. Der Molekularbiologe und Epigenetik-Forscher Prof. Gary Felsenfeld sagt dazu: „Epigenetik ist das Studium von vererbbaren Veränderungen der Genfunktion, die nicht durch Veränderungen der DNA-Sequenz erklärt werden können.“
    Wie können aber Gene nachhaltig und weitergebbar ein- und ausgeschaltet werden? Welcher Mechanismen bedient sich in diesem Zusammenhang die Epigenetik? Sehr vieles davon ist bereits erforscht und noch mehr davon gilt es zu klären. Die DNA kann etwa durch Methylierung direkt chemisch modifiziert werden. Oder die Aktivität bestimmter DNA-bindender Proteine, der Histone, kann durch Acetylierung reguliert werden … um nur einige zugrunde liegende Mechanismen zu nennen. Das Ergebnis ist aber stets gleich. Es wird dadurch die Verwendung der Gene (die Übersetzung der DNA in Richtung Protein) nachhaltig beeinflusst, ohne dabei die Sequenz der DNA, die ATCG-Sequenz zu verändern.
    Wie wird man Königin?
    Biston betularia (Sie wissen, der Birkenspanner) entwickelt sich natürlich komplett anders als der Mensch. Zuerst entsteht eine Raupe, die sich von Blättern ernährt. Danach kommt es zur Verpuppung und schließlich schlüpft ein schöner Schmetterling. Ich erzähle das an dieser Stelle noch einmal, weil sich auf Ebene der DNA-Sequenz, der Gene, im Zuge dieser wundersamen und wunderschönen Metamorphose nichts ändert. Die Raupe nimmt keine Gene dazu, entledigt sich keiner Gene und verändert auch die Gensequenz nicht, wenn sie schließlich zum Schmetterling wird. Die Raupe und der Schmetterling haben das gleiche Genom!
    Sie verwenden die Gene nur anders. Und auch das epigenetische Muster (das Epigenom) der Raupe ist anders als das des Schmetterlings. Diese Metamorphose zum adulten Tier ist äußerst beeindruckend und zumindest teilweise auch eine Konsequenz epigenetischer Mechanismen. Vieles muss allerdings noch erforscht werden.
    Ein nicht weniger faszinierendes Beispiel für die Konsequenz epigenetischer Prozesse findet man im Bienenvolk. Einmal entstehen aus den Eiern derselben Königin sterile Arbeiterinnen und selten entwickelt sich daraus eine äußerst fruchtbare Königin. Die Ernährung mit Gelée Royale macht den Unterschied. Die Königin ist fruchtbar, viel größer, zeigt ein komplett anderes Verhalten und lebt wesentlich länger. Und all diese enormen Unterschiede werden durch Epigenetik reguliert. Dieses Beispiel verdeutlicht auch, wie sehr etwa Lebenserwartung und Verhalten gleichfalls von außen gesteuert sind.
    Von der Unterschiedlichkeit eineiiger Zwillinge
    Wir haben gesagt, dass jeder Mensch die gleichen Gene aufweist und dass der Unterschied zwischen zwei Menschen nur etwa 0,1 Prozent in der Sequenz ihrer DNA ausmacht. Nachdem wir aber mittlerweile auch wissen, dass sich eineiige Zwillinge aus ein und derselben befruchteten Eizelle entwickeln, ist uns klar, dass der genetische Unterschied auf Ebene der DNA-Sequenz bei den beiden null Prozent beträgt. Nun, warum sind dann aber eineiige Zwillinge in vielen Belangen so unterschiedlich? Sie sehen sich oft zum Verwechseln ähnlich – gut. Unser Aussehen, Haarfarbe, Augenfarbe, Geschlecht etc. sind äußerst stark genetisch bestimmt. Aber sonst?
    Das Meiste und auch das Spannendste, was den Menschen zum Menschen macht, wird multifaktoriell, also durch das Zusammenspiel von Genetik und Umwelt gesteuert. Wir haben diese Diskussion bereits geführt. So komplexe Dinge wie etwa das Verhalten des Menschen oder auch seine Neigungen sind genetisch mitbestimmt – auch das haben wir schon besprochen: einmal mehr und im anderen Fall wieder weniger. Dabei spielen aber Umwelteinflüsse eine enorme Rolle – hierbei ist der Mensch in keiner Weise auf seine Gene reduzierbar. Und

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